Die Legende lebt
Die Trabant-Geschichte Die Legende lebtDas Produktionsende des Trabant ist das unwiderrufliche Ende eines Traums und eines Traumas, zugleich aber auch die Geburt einer Legende.
Nun ist es also Gewissheit. Am 30. April, um 14 Uhr, erfolgte in Zwickau, dem ehemaligen VEB Sachsenring-Automobilwerke, das Aus für den Trabant. Eingestellt wurde die Produktion eines Autos, das mehr als zweimillionenmal von den Bändern ins Land rollte - und auch ins Ausland, vor allem in das sogenannte sozialistische. Machten vor Jahrzehnten Fords Tin Lizzy und später der VW-Käfer mit hohen Produktionszahlen und spezifischen Eigenarten Furore, so sorgten doch in erster Linie die Käufer dafür, dass diese Modelle Legende wurden. Auch wenn vermutlich erfunden, Henry Fords Wahlspruch war Programm: "Bei mir kann jeder jede Autofarbe haben, Hauptsache sie ist schwarz." Ebenso der VW-Werbeslogan für den luftgekühlten Heckmotor: "Luft gefriert nicht, Luft kocht nicht." Das drang in die Köpfe ein und blieb auch darin sitzen. Hierzulande ist jetzt der Trabant auf dem besten Wege, zu einer Legende zu werden - lange bevor er ganz aus dem Straßenbild verschwunden sein wird. Im Film "Go, Trabi, go!" wurde ihm bereits zu Lebzeiten ein Denkmal gesetzt; einem Zwerg, der durch nichts in die Knie zu zwingen ist und der durch seinen Fahrer in jeder Situation zum Riesen wird. Wohl kaum in der Automobilgeschichte haben sich Automobilbesitzer mit ihrem Vehikel jemals so identifiziert wie die Trabantbesitzer mit ihrem Trabi. Das lag beileibe nicht nur an der allgemeindeutschen Zuneigung zum Auto, die sich ja nicht nur im allsonntäglichen Waschdrang äußert. Das lag eher daran, dass der Trabant, einmal erstanden, zum Familienmitglied avancierte und auch als solches behandelt wurde. Er erhielt meist einen zärtlich - sinnigen Namen und wäre auch zum Tee an den Tisch gebeten worden, hätte er es nur gewünscht. Die Geschichte seiner Beliebtheit beginnt mit der Geschichte seiner Entstehung: Als von denen, die alles beschlossen, auch beschlossen wurde, das Staatsvolk der DDR müsse (oder dürfe?) ein Volk auf Rädern werden. Nicht zu üppig, versteht sich, denn schließlich nannte man sich ja Arbeiter- und Bauernstaat, dessen Söhne und Töchter sich in einem fetten Schlitten doch wohl deplaziert vorgekommen wären. Also nutzte man zwar die vorhandenen Produktionsstätten, diktierte aber lediglich 1000 cm3 nach Eisenach und die Hälfte davon nach Zwickau. Und man beschloss auch das Prinzip: durchweg Zweitakt, in Eisenach wasser-, in Zwickau luftgekühlt. Hier erscheint ein geschichtlicher Einschub angebracht. 1958 entstand - natürlich auf Beschluss - der VEB Sachsenring-Automobilwerke aus den beiden Zwickauer Betrieben Audi und Horch, die gemeinsam mit Wanderer in Chemnitz und DKW in Zschopau seit 1932 zur Auto Union gehört hatten. Das Ursprungswerk hatte August Horch 1904 gegründet. Wegen finanzieller Zwistigkeiten in der Firmenleitung kehrte er der Firma 1909 den Rücken und gründete ein neues Werk. Nun unter dem Namen Audi (lateinisch: horch!), weil sein eigener Name ja schon belegt war. Bei Audi und Horch wurden vorwiegend schwere Luxuslimousinen mit Viertaktmotoren gebaut. Die kleinen wassergekühlten Zweitakter der F-Reihe kamen von DKW, das sich jedoch vornehmlich mit dem Motorradbau beschäftigte. Da die Auto Union im zweiten Weltkrieg Rüstungsschmiede gewesen war, wurden ihre Werke in der damaligen sowjetischen Besatzungszone nach 1945 gnadenlos demontiert. Der Not gehorchend, produzierte man in Zwickau erst einmal zum Leben Notwendiges - Schrotmühlen etwa, Herde oder Feuerzeuge - und reparierte Autos. Dann baute man den Lastwagen H3, später den H3A und S 4000, den Ackerschlepper "Pionier" und Dieselmotoren. Erst 1949 begann die eigentliche Automobilproduktion im Werk Audi mit dem aus Zschopau stammenden F8, dessen Karosserie teilweise noch aus Holz gefertigt war. Ihm folgte der F9 mit 900-cm3-Dreizylinder-Zweitaktmotor als Gemeinschaftswerk von Horch (Karosserie) und Audi (Montage). 1953 wurde die Produktion des F9 nach Eisenach verlegt, wo bis dahin - als EMW - der BMW-Sechszylinder Typ 340 produziert worden war. Noch einmal durften sich die Zwickauer Automobilbauer in Erinnerung an alte Zeiten technisch austoben, als Horch zwischen 1955 und 1959 unter dem Namen Sachsenring P 240 1382 schwere Limousinen mit einem Sechszylinder-Reihenmotor von 2407 cm3 Hubraum fertigte - fast ausschließlich für Repräsentationszwecke der Oberen. Dieser Motor fand übrigens auch in einem Militärkübelwagen Verwendung. Über des Volkes weit sparsamere Motorisierung wurde indes nebenan bei Audi nachgedacht. Schon 1951 starteten Versuche, einen Kunststoff zu finden, der es ermöglichte, eine Karosserie zu beplanken, ohne auf Stahlblechimporte angewiesen zu sein. Den Älteren wird in diesem Zusammenhang das unvergleichliche DDR-Wort Störfreimachung noch einmal auf den Magen schlagen. Wie dem auch sei: Aus Baumwolle und Phenolharz entstand ein verformbarer Kunststoff, in den im Juli 1955 der P 70 mit dem modifizierten wassergekühlten Zweizylinder-Zweitaktmotor des F 8 eingekleidet werden konnte. War das ein Fest! 15 Leute wurden auf dem Auto platziert - und es brach nicht zusammen. Auch ein Coupe gab es davon. Welch ein Luxus! Die Herzen der DDR-Bürger begannen jetzt erst so richtig zu schmelzen, als ab Mai 1958 in größeren Stückzahlen der P 50 aus den vereinigten Werken von Horch und Audi unters Volk gelassen wurde. Er hatte nicht nur seine technisch nackte Typenbezeichnung, nein, er trug einen richtigen Namen: Trabant. Und das wollte er sein - anspruchsloser Begleiter der Familie in eine lichte automobile Zukunft, die damals noch nicht völlig ummauert und zugenagelt erschien. Zwar war eine Moselfahrt mit Monika schon schwierig, aber in Varna, an Shiwkows Gestade, durfte man sich doch noch unbeschwert tummeln. Und das Wunder war wahr. Im Angesicht der Motorroller, Motorräder und fahrbaren Kabinen a la Janus, Isetta und Goggo verhieß der Trabant - für vier Menschen - geradezu automobile Lustbarkeit bei 3375mm Länge, 1500mm Breite und 1395 mm Höhe. Zwar hämmerte der luftgekühlte Zweizylinder seine 18 PS mit so brutaler Offenheit auf die Vorderräder, dass der erste Trabantspott schon seine Berechtigung hatte, man könne sich auf Grund der Enge Gott sei Dank wenigstens mit den Knien die Ohren zuhalten. Aber was machte das schon? Man saß trocken und zumindest im Sommer, zur Hauptreisezeit, auch warm. Durch eine ansehnliche Scheibe blickte man nach draußen, und durch seitliche Schiebefenster drang ordentlich Zugluft nach innen und unter Campinghemd und Petticoat. Und erst im Regen. Wie arm dran waren plötzlich die Motorradfahrer. Der Trabant schmiss die Fackel automobiler Begierde zuerst in die Reihen der Älteren; jener Generation, denen Goebbels einen Volkswagen versprochen, Hitler aber einen Stahlhelm verpasst hatte. Als junge Burschen hatten sie die Leckerbissen von Wanderer, Audi und Horch gesehen, aber es nicht einmal zum DKW F 5 gebracht. Arbeitslosigkeit, Häusle bauen, Krieg. Und danach endlich Arbeit und erste bescheidene Ersparnisse. Und der Drang, verlorenes Leben nachzuholen, mobil zu sein, zu reisen, die Welt ein wenig zu genießen. Wenig anspruchsvoll, aber für den Anfang reichte es.
So traf der Trabant P 50 exakt den Nerv derzeit, und er traf in eine Landschaft, die im Aufbruch zum Wohlstand schien. In einem Land, in dem - staatlich verordnet - fürs Volk nur kleine Brötchen gebacken werden durften, hatte er die richtige Größe. Und er hatte noch etwas, das seine Besitzer sofort einte und zu einer Gilde zusammenschmiedete, die erst jetzt wegen anderweitigen Überangebots auseinander fallen wird. Er war nicht sofort zu haben. Man musste sich im staatlichen Autohaus seines Einzugsgebietes anmelden, wurde registriert, erhielt darüber hinaus eine Bestätigung, deren Erfüllung man anfangs ein halbes Jahr und am Ende 15 Jahre entgegenträumte. Trotzdem waren erstaunlicherweise an diesem Ende fast alle motorisiert. Das Zweite, was die Gilde einte, war der Besitz selbst. Ohne staatlich verordnete Clubbindung fühlten sich Trabantfahrer sofort zusammengehörig, in Aufklebern manifestierte sich das so: "Nur fliegen ist schöner" oder "Trabantfahrer sind die Härtesten" oder "Mercedes fahren kann jeder". Trabantfahrer standen von Anfang an zusammen, zusammen gegen den Rest der Welt. Das änderte sich auch dann nicht, als aus ihnen eine Zweiklassengesellschaft zu werden drohte. Der P 60 hatte 1962 einen 600-cm3-Motor mit 23 PS erhalten, war aber äußerlich nicht verändert worden. Unfrieden konnte erst aufkeimen, als 1964 der Trabant 601 die Szene betrat: eckiger, markanter, moderner, mit richtigen Kurbelfenstern und einem brauchbaren Kofferraum, der durch die Kennzeichenleuchte nachts sogar Licht erhielt. Das hatte nicht einmal Mercedes. Während der eine neuer aussah, blieb der andere ursprungsverbundener, und das eben einte auch. Ein Drittes. Um den Trabant herum lief die automobile Entwicklung mit technischen Riesenschritten in die Zukunft: größer, stärker, komfortabler, sicherer. Nichts war unmöglich. Das blieb natürlich auch in Zwickau nicht verborgen. Und Männer, die aus der Audi- und Horch-Zeit stammten und die auch den P 240 gebaut hatten, zerrten wohl an ihren Ketten, um den Anschluss an die Welt nicht zu verpassen. Was half es ihnen? Der Klüngel, der alles dominierte, der sich um alles kümmerte, um Staatsverträge wie um die Konstruktion einer Zahnbürste, hielt sie beinhart an der Kandare. So hangelten sich hochbegabte Ingenieure und Techniker mit Lächerlichkeiten von Parteitag zu Parteitag und waren gezwungen, die Einführung eines Intervallschalters für die Scheibenwischer als epochales Ereignis zu feiern. Die wichtigen Entwürfe für echte Neuheiten mussten dagegen in den Schubladen bleiben. Zur Ehre der Zwickauer Automobilbauer sei dies hier einmal gesagt. Die Welt brauste weiter. Auch die Trabantfahrer merkten das. Weniger im Land als von außen belächelt - wer kennt nicht die 1001 Trabantwitze? -, kam bei ihnen zur Treue der Trotz. Denn: Not eint auch. Und wer einmal zur Gilde der Trabantfahrer gehört hat, schreit heute noch auf, wenn er an das Reizwort Ersatzteile und das damit verbundene "Hammer-nich" denkt. Was war alles durch die so genannten Neuerervorschläge verschlimmbessert worden. Hochtaugliche Novotex-Unterbrecher wurden von solchen aus Polyamid abgelöst, deren deren Laufleistung aber bedeutend geringer war.
Aus der Firmengeschichte: 1904 August Horch gründet am 10. Mai die Firma A. Horch & Cie Motoren-Werke AG in Zwickau. 1909 Nach Zerwürfnissen mit dem Firmendirektorium entsteht am 16. Juli unter Horchs Leitung die spätere Audi-Automobilwerke GmbH. 1932 Mit Sitz in Chemnitz bildet sich die Auto Union AG als Zusammenschluss von Horch und Audi in Zwickau, der Automobilabteilung der Wandererwerke in Chemnitz und von DKW in Zschopau. 1945 Die Werke Horch und Audi werden als Rüstungsbetriebe demontiert, bestehen aber unter dem Namen VEB Sachsenring (Horch) und VEB Automobilwerk Zwickau (Audi) fort. 1958 Beide Betriebe werden zum VEB Sachsenring-Automobilwerke Zwickau vereinigt. 1990 Umbenennung in Sachsenring-Automobilwerke GmbH.
Welchen Schaden richtete der Rationalisator an, der die Wanddicke des Auspuffs und damit seine Lebensdauer halbierte, den Neubedarf dagegen verdoppelte. Auch das Schlange stehen vor den Trabantläden hat die Gilde verschweißt. Ein weiteres: Der Trabant war von Anfang an ein unerschöpfliches Gesprächsthema. Äußerlich einfach und schlicht, entfaltete er im Männergespräch die unergründliche Seelentiefe einer unverstandenen Frau. Denn er war nie vollkommen - obwohl er es sein sollte und wollte. Der eine war nicht ganz dicht, der zweite klapperte vorn, der dritte dröhnte hinten. Ein vierter hatte die Lichtmaschine verloren, an einem anderen fielen ständig die Scheibenwischer ab. Gerissene Spannbänder, ausgefallene Anzeigeleuchten, kaputte Scharniere. Ein Trabant besteht aus rund 4 000 Teilen. Dabei war das Auto durchaus reparaturfreundlich, und die Betriebsanleitungen aller Baujahre richteten den Besitzer von vornherein auf eine fundamentale Selbsthilfe ab. Im Zusammenwirken mit Reparaturhandbuch und Ersatzteilkatalog wurde die Technik transparent. Der, der Trabant fuhr, konnte auch Trabant reparieren. Außerdem war er, ordentlich verlötet, wenn nicht tauch-, so doch wenigstens schwimmfähig. Sogar als Fluchthelfer hat er gedient, indem sein Motor ein Leichtflugzeug antrieb. Wenn das nicht eint. Nun geht er also hin, und niemals kehrt er wieder. Vom Trabant 1.1 wird keiner sprechen. Falschgeld. Aber von dem, der es zwischen 1975 und 1990 auf mehr als 2,3 Millionen geliebte und gehasste und insgesamt zuverlässige Exemplare brachte. Der Kleine ist nun für große Legenden gut. Ein ganz persönlicher Wunsch zum Schluss: Ich möchte gern noch einmal, wie einst an einem Freitag im Feierabendverkehr Friedrichstraße/Ecke Unter den Linden, als Linksabbieger auf Reserve umschalten dürfen - den Hahn rechts vorn unten. Nur wer nach Perlen getaucht ist, wird mich verstehen. Nun denn also: Tschüß, Trabi, Du alter Schlawiner! Vermissen werde ich Dich nicht, aber auch nicht vergessen. |
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Er bewegte eine Nation
Er bewegte eine Nation
Vor 45 Jahren rollte in Zwickau der erste Trabant vom Band - Legenden sterben nie.
Die Automobilgeschichte hat unzählige Fahrzeuge hervorgebracht, doch nur wenige Entwicklungen selten bis heute als legendär. Der Mini gehört zweifelsfrei dazu. Er war der erste Kleinwagen mit quereingebautem Frontmotor und langem Radstand. Auch der Käfer hat als eines der meistgebauten Autos überhaupt Historie geschrieben. Oder der Jeep als Urtyp des Geländewagens. Und der Trabant? Der /Vagen aus dem sächsischen Zwickau fuhr einfach. Jahrzehnte. Machte ihn das legendär?
Er machte vor allem mobil. Zumindest die Trabiländer. Den Ausländern war er Symbol. Der Trabi gehörte zur DDR wie Coca-Cola zu Amerika. Ein Original mit für die Ewigkeit geschaffenem Design, unantastbar wie das rot-weiße Label auf der bauchigen Limo-Flasche. Und so stand er plötzlich auf dem Kudamm, wo Schampus togaweißem, baligelbem und aquariengrauem Lack endlich Glanz verlieh.
Bevor der Trabant Parkplätze belegte, die bis dato von Golf & Co. abonniert waren, sagte niemand ,Ich fahre Trabant", sondern "Ich habe einen Trabi". Sprach je jemand von "Käfi" oder "Golfi"? Beides hätte einen gekünstelten Beigeschmack. Beim Trabant war es echt.
Echt wie die Fahrer, die mit einer neuen Auspuffanlage oder einem Karosserieteil in der U-Bahn anzutreffen waren. Wo sonst gab es so etwas? Wer keinen neuen Kotflügel ergattern konnte, tröstete sich mit bitterem Humor: "An dieser Stelle zerschellte ein Lkw", wurde gern als Folienspruch auf die Wunde geklebt. Auf Kotflügel aus Duroplast, die nicht beulten. Sie splitterten oder bekamen Löcher.
Die Duroplast-Karosse hatte sich schon beim P 70 bewährt und sollte auch die Technik des noch namenlose Ur-Typs P 50 verkleiden. Als dann die Sowjetunion den ersten Sputnik ins All schickte, war klar: "Trabant" sollte der Neuling heißen, dessen erstes Exemplar symbolträchtig am 7. November 1957, dem 40. Jahrestag der Oktoberrevolution, vom Band rollte. 7 400 Mark kostete er damals.
Man liebte und verfluchte sein Eigen und nutzte es mit einer trotzigen Gnadenlosigkeit, als sollte alle Welt von den Vorzügen des Autos überzeugt werden. Im Werbeprospekt hieß es: "Ein Fahrzeug, das viel zu bieten hat, Komfort, Platz und Zuverlässigkeit."
So brachte er die vierköpfige Familie samt Proviant für zwei Wochen an die bulgarische Schwarzmeerküste und nach Budapest. Datschenbauer konnten sich auf ihren 3,56 Meter kurzen Tieflader verlassen. Wer Zement brauchte, musste schnell und flexibel sein. Mit den 26 PS starken 0,6-Liter-Zweizylindern dürften Trabis im Zweitakt ganze Fünf-Jahr-Plan-Produktionen transportiert haben. Immerhin hatte der Kofferraum ein Volumen von 415 Litern. Bis heute im Kleinwagensegment unerreicht, durften Besitzer des kleinen Sachsen überlegen das mickrige Gepäckabteil des Genex-Golf belächeln. Wer gar einen Kombi namens Universal besaß, hatte die völlige Unabhängigkeit vom Güter-Taxi erlangt. Doch auch die robuste Papp-Limousine stemmt selbst Kühlschränke oder Sofas. 65 Kilogramm Dachlast - da hatten die Zwickauer Ingenieure heftig untertrieben.
Je bedrohlicher sich der Winkel zwischen Hinterrädern und Fahrbahn vergrößerte, desto höher die Anerkennung. Es stimmte: Trabifahrer, die die "Pappe" hin und wieder brutal im zweiten Gang über die Tempo-50-Marke trieben, um Ölreste aus dem Auspuff zu brennen, waren die härtesten.
Dennoch dürfte die Tatsache, dass sich der 26-Liter-Tank quasi auf dem Schoß des Beifahrers befand, jede Gattin ob der permanent lauernden Gefahr noch nachträglich erschauern lassen. Seinerzeit war das so normal wie die anderen Eigenarten des Autos. Aber die Trabisti wussten damit umzugehen. So vermieden sie es in der Regel, beim Parken die Fahrertür eines anderen Trabis zu verstellen. Da die Beifahrertür kein Schloss hatte, hätte sich der Betroffene nur mit einer Fahrradspeiche helfen können, die für alle Fälle im Kofferraum lag. Irgendwo neben dem Keilriemen.
Klar, wer das Fahrzeug besaß, konnte es auch reparieren. Über Kleinanzeigen kam man zu Bastelanleitungen, aus denen eine Knüppelschaltung entstand. Andere schraubten das Reserverad nach dem Vorbild französischer Import-Limousinen unter den Fahrzeugboden. Mit einem Schraubenzieher (lang genug für eine problemlose Vergasereinstellung) und einem Zehner-Schlüssel trotzte der gemeine Trabifahrer dem gegenüber seiner Kundschaft wählerischen Kfz-Meister und erzielte an einem Sonntagvormittag beachtliche Erfolge. Gab es Probleme, half der Nachbar bestimmt. Schließlich kannte man die gewaltigen Unterschiede zwischen Klacken und Glucksen, dem hellen blechernen Wirrrrr beim Hochdrehen und dem grollenden Bass beim Abtouren.
Jeder wusste, wie die verdreckte Hauptdüse des Vergasers wieder dazu gebracht werden konnte, einen freien Fluss des 88-Oktan-Ge-misches zu sichern. Dass man vorbeugend regelmäßig den Wassersack reinigen und ebenso oft die Schrauben am Vorschalldämpfer nachziehen musste. Mit viel Gefühl] freilich, um den aus Guss bestehenden Krümmer nicht zu brechen. Und man kannte die Bedeutung des Wetterberichtes, aus dem man ableitete, ob die Bordbatterie eine Nacht auf dem Laternenparkplatz überstehen würde. Aus kraftfahrzeugtechnischer Sicht uninteressant wurde die Wettervorhersage erst, als das Sechs- einem Zwölf-Volt-Bordnetz wich.
Mit dem am 30. April 1991 um 14.51 Uhr letzten gefertigten Trabi verließen in 34 Jahren insgesamt 3 096 099 Fahrzeuge das Werk. Eine Karosserieänderung war erst für 1995 vorgesehen. Planmäßig.
KRAFT DER ZWEI KERZEN - ZUR HISTORIE
Am 7. November 1957 lief in Zwickau die Nullserie des Trabant 500 an. Der Öffentlichkeit wurde der Ur-Trabi jedoch erst ein Jahr später auf der Leipziger Herbstmesse 1958 vorgestellt.
Angetrieben wurde er von einem Zweizylinder-Zweitakter. In 499 Kubikzentimetern Hubraum - daher die Bezeichnung Trabant 500 - entstanden zunächst 17, dann 20 PS. Das maximale Drehmoment von 44 Newtonmetern (in Worten: vierundvierzig) lag bei 2 750 Touren an. Spitze: 95 km/h.
Die Karosserie des 3,36 Meter langen Autos bestand aus einem Stahlblechskelett mit Kunststoffbeplankung. Es brachte leer gerade mal 620 Kilogramm auf die Waage. Ein Smart von heute wiegt vier Zentner mehr.
Die erste Kombiversion namens Universal brachte Sachsenring 1960 heraus. Ein Jahr später folgte der Universal de Luxe Camping mit großem Faltdach.
Der Motor der zweiten Trabi-Generation kam 1962 im alten Modell zum Einsatz. Der Hubraum wuchs auf 600 Kubikzentimeter, die Leistung auf 23 PS.
Eine neue Karosserie kam 1964. Die Modellbezeichnung nun: Trabant 601.
1965 gab es auch davon eine Kombiversion. Das Laderaumvolumen betrug maximal 1 400 Liter - ein auch heute beachtliches Maß. Ein Jahr darauf erhielt das Auto eine elektrohydraulische Kupplung. Ab 1968 standen dem Fahrer 26 PS zur Verfügung.
Eine Cabrio-Version wurde bereits 1966 entwickelt, war aber nur für den militärischen Einsatz vorgesehen. Erst 1978 folgte eine zivile Variante als Tramp.
Bis zum 30. April 1991 wurden insgesamt 3 096 099 Trabis gebaut. In Deutschland sind derzeit noch 124 459 Fahrzeuge zugelassen - davon 13 867 im Westen. Sachsen rangiert mit 41 941 Wagen an der Spitze. Danach folgen Brandenburg mit 22 493 und Sachsen-Anhalt mit 18326 Autos. (Siehe auch hier)
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