Vor 52 Jahren
Folgende Veränderung wurde am Trabant vorgenommen:
15.11.1972:- Entfall einer Zwischenlage an der hinteren Blattfeder
Test 601 de luxe des DDS im Januar 1970
TRABANT 601 DE LUXE VOM VEB SACHSENRING AUTOMOBILWERKE ZWICKAU
Äußerlich unterscheidet sich der neue Trabant 601 kaum von den Wagen früherer Baujahre. Die zweitürige Karosserie wird seit 1964 in dieser Form gebaut, und die Anordnung des Fronttriebwerkes, die Radaufhängung und die Federung entsprechen im Prinzip dem Aufbau des ersten Trabant 500, der vor reichlich zehn Jahren das Werk verließ. Damals wurde der kleine Wagen von den Besitzern "richtiger Autos" nicht für voll genommen. Vor allem der mit Duroplast beplankten Karosserie begegnete man mit Misstrauen. Heute gehören selbst die zehn Jahre alten Trabanten noch zu den begehrten Gebrauchtwagen, denn ihr teuerstes Ersatzteil - die Karosserie - hat im Durchschnitt eine Lebensdauer bewiesen, mit der Stahlblechkarosserien auch bei bester Pflege oft nicht aufwarten können.
Auch die Teile des Fahrwerks, die unten mit Querlenkern und oben von der Querblattfeder geführten Vorderräder, die mit Dreiecklenkern angelenkten und von einer Querblattfeder gestützten hinteren Pendelhalbachsen haben sich als robust und wenig störanfällig erwiesen'. "Unter dem Strich", also in den Gesamtkosten über mehrere Jahre ist der Trabant unbestritten der wirtschaftlichste Wagen, der in unserer Republik angeboten wird. Daran änderte sich im Prinzip auch dadurch nichts, dass der kleine häufig an der Leistungsgrenze arbeitende Motor kürzere Laufzeiten bis zur Überholung erreichte als größere und stärkere Maschinen.
DER 26-PS-MOTOR
Seit einigen Monaten haben alle Trabant-Typen einen um 3 PS stärkeren Motor. Die erhöhte Leistung wurde unter anderem durch eine neue Auspuffanlage, die jetzt aus drei Teilen besteht und durch geänderte Überströmkanäle in den Zylindern erreicht. Die Querschnitte der Ein- und Ausströmfenster wurden nur geringfügig verändert, die Kanäle verlaufen jedoch jetzt strömungsgünstiger. Daraus resultieren eine bessere Füllung, vor allem bei hohen Drehzahlen, eine intensivere Durchwirbelung des Gemisches im Zylinder und ein günstigerer Verbrennungsablauf. Der stärkere Motor erreicht die 26 PS entsprechend der Leistungskurve bei etwa 3900 U/min, bis etwa 4200 U/min bleibt die Leistung konstant, sie sinkt danach bis 4500 U/min auf etwa 25,5 PS. Der alte 23-PS-Motor hatte eine Leistungsspitze zwischen 3600 und 3900 U/min, darüber fiel die Leistung stetig bis auf etwa 22 PS bei 4500 U/min ab. Der Vergleich des Drehmomentverlaufs lässt diesen Unterschied noch deutlicher werden. Bei 3000 U/min bietet der neue Motor ein um etwa 5 Prozent höheres Drehmoment, bei 3900 U/min beträgt der Gewinn schon 14 Prozent und bei 4500 U/min sogar 16 Prozent. Das erhöhte Drehmoment wirkt sich vor allem beim Beschleunigen und an Steigungen aus, denn die Übersetzungen im Getriebe und Ausgleichgetriebe wurden nicht verändert. Der Leistungszuwachs verhelf dem Wagen aber auch zu höheren Durchschnittsgeschwindigkeiten. Unsere praktischen Erfahrungen decken sich genau mit den Schlussfolgerungen, die der Kennlinienvergleich zulässt. Auch mit dem 23-PS-Motor konnte man 100 km/h und unter günstigen Bedingungen noch etwas schneller fahren. Die Geschwindigkeiten über 90 bis 95 km/h waren aber bei Gegenwind und an leichten Autobahnsteigungen nicht zu halten. Für Oberholvorgänge mit Geschwindigkeiten um 90 km/h standen keine Reserven mehr zur Verfügung. Das Überholen an geringfügigen aber langen Steigungen war riskant und glückte nur selten. Mit dem 26-PS-Motor erreicht der Wagen mühelos die 100 km/h, und er hält sie auch bei Gegenwind sowie an den Autobahnsteigungen, die die Geschwindigkeit des Vorgängers auf 85 bis 90 km/h sinken ließen. Für 100 km/h wird bei weitem kein Vollgas benötigt, es stehen auch noch Reserven zum Beschleunigen zur Verfügung.
Wir haben mit dem Testwagen, einem Serienfahrzeug, auf der Autobahn Dresden - Berlin einmal gemessen, wie schnell man vorwärts kommen kann, ohne den Wagen zu überfordern. Gefahren wurde mit etwa Dreiviertelgas, womit der Wagen über 100 km/h lief. Obwohl sämtliche Geschwindigkeitsbeschränkungen (Freienhufen, Abzweigung Cottbus) exakt eingehalten wurden, betrug die Fahrzeit für 100 km nur 56 min, also 107 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit!
Mit Vollgas erreichte unser Testwagen 110 km/h nach der Stoppuhr. Er beschleunigte vom Stillstand bis 80 km/h in 18 Sekunden. Damit nähert er sich dem Beschleunigungsvermögen wesentlich größerer und stärkerer Wagen. Bei früheren Testfahrten mit den verschiedenen Trabant-Typen hatte es keinen Zweck, die Beschleunigung bis 100 km/h zu messen. Die Zeiten wären beinahe endlos lang geworden, da die Geschwindigkeit oberhalb 90 km/h nur noch sehr zögernd zunahm. Mit dem neuen Motor brauchte der Wagen nur 36 Sekunden bis 100 km/h. Bei niedrigen Geschwindigkeiten, zum Beispiel im Stadtverkehr, beim Anfahren an Kreuzungen, "schwimmt" der neue Trabant im Verkehrsstrom nicht nur mühelos mit, er ist häufig auch schneller als größere Wagen.
Die Mehrleistung wirkt sich bei Oberholvorgängen auf Fernverkehrsstraßen besonders günstig aus und trägt zur Erhöhung der Sicherheit bei. Schnell fahrende Lastkraftwagen, an denen bei entsprechender Verkehrsdichte mit dem alten 601 mitunter kaum vorbeizukommen war, bereiten dem neuen keine ernsten Schwierigkeiten mehr. Die einzelnen Gänge können weiter ausgefahren werden. Der für die meisten Überholvorgänge wichtige dritte Gang reicht bis fast 80 km/h, während das maximale Drehmoment im vierten schon bei 70 km/h zur Verfügung steht. Bei vielen Überholvorgängen kann man sogar auf das Schalten verzichten, denn der Motor beschleunigt auch aus relativ niedrigen Drehzahlen recht gut. Die schwache Stelle, die in der Zugkraft beim 23-PS-Motor zwischen 50 und 65 km/h spürbar war, gibt es beim neuen Motor nicht.
Der Motor lässt aber auch erkennen, dass er sich bei mittleren und höheren Drehzahlen wohler fühlt als im unteren Bereich. Im Leerlauf sowie bei Geschwindigkeiten bis etwa 50 km/h im vierten Gang läuft er merklich rauer als sein Vorgänger. Die Vibrationen sind in diesem Bereich stärker als vorher. Die Geräusche haben noch unserem Eindruck nicht zugenommen, wir empfanden sie sogar als angenehmer, denn ihre Frequenzen scheinen tiefer zu liegen. Der rauere Lauf verschwindet bei Geschwindigkeiten oberhalb 70 km/h. Ober 90 km/h läuft die Maschine geradezu turbinenhaft weich und vermittelt den Eindruck, dass sie sich bei diesen Geschwindigkeiten ganz besonders wohl fühlt. Lediglich das Kühlgebläse wirkt in diesen Drehzahlen mit seinem aufdringlichen Heulton störend. Hier müsste mit einem Antidröhnanstrich des Kühlluftmantels einschließlich Luftleitblech innen und außen oder auch mit einem Gebläserad aus Plast eine Geräuschdämpfung zu erreichen sein. Die stärkeren Schwingungen in niedrigen Drehzahlen, mit denen man besonders im Stadtverkehr relativ häufig fährt, werden vom Motor auf den Vorschalldämpfer übertragen. Infolge des langen Hebelarmes machen sie sich an der linken Aufhängung des Schalldämpfers vor dem Radkasten besonders bemerkbar. Beim Testwagen war schon nach 14000 km die Aufhängung einschließlich der Verstärkungsplatte aus dem Blech ausgerissen, und die Punktschweißnaht, die das horizontale Blechteil an der senkrechten Frontverkleidung halten sollte, war lose. Auch bei den älteren Wagen gab es an dieser Stelle Brüche, aber nicht nach so kurzen Laufleistungen. Hier sollte der VEB Sachsenring entsprechende Änderungen vornehmen, die eine angemessene Haltbarkeit gewährleisten. Wie wir erfuhren, beschäftigt man sich im Werk bereits mit diesem Problem. Wir erwarten vom VEB Sachsenring dazu bald eine Stellungnahme.
Eine Neigung zum Klingeln, die sich bei zahlreichen 23-PS-Motoren störend bemerkbar machte, haben wir beim Testwagen überhaupt nicht festgestellt. In dieser Hinsicht haben sich die Änderungen am Motor offenbar positiv ausgewirkt, übrigens ist der gesamte Motor auch mechanisch überarbeitet worden, um die Leistungssteigerung nicht mit einer Minderung der Lebensdauer zu erkaufen. Nach unserem Eindruck wurde dieses Ziel auch erreicht, denn wir bemerkten keine Unregelmäßigkeiten in den verschiedenen Drehzahlen und Fahrzuständen. Der alte Motor ließ zum Beispiel schon nach kurzen Laufzeiten tickende Geräusche hören, die sich wie Kolbenkippen oder Pleuelbuchsenspiel anhörten, wenn bei Geschwindigkeiten über 80 km/h ein wenig Gas weggenommen wurde, so dass der Motor gerade nicht mehr ziehen musste, aber auch noch nicht abtouren konnte. Der 26-PS-Motor zeigte nach fast 18000 km nichts Derartiges.
Der Kraftstoffverbrauch lag etwa in den Grenzen, die wir vom Vorgänger kannten. Bei sanfter Fahrweise auf größeren Strecken kam der Wagen mit 7,5 l/100 km aus. Bei Ausnutzung der Fahrleistungen auf Fernverkehrsstraßen und Autobahnen wurden 8,1 bis 8,3 l/100 km benötigt, und auf Kurzstrecken im Stadtverkehr stieg der Appetit des Motors auf 8,8 bis 9 l/100 km an. Stellt man diese Zahlen den beträchtlich erhöhten Fahrleistungen gegenüber, so ist das Ergebnis gar nicht schlecht. Sicher hat dazu das jetzt gefederte Schwimmernadelventil beigetragen, das auch auf schlechten Straßen für ein weitgehend gleich bleibendes Kraftstoffniveau im Vergaser sorgt.
ERLEICHTERTE BEDIENUNG
Besondere Anerkennung verdienen die Maßnahmen an Kupplung und Bremse. Im Vergleich zum neuen Wagen leisten die Fahrer der älteren Ausführungen regelrecht Schwerarbeit. Die Erleichterungen bei der Bedienung, die eine geringere Ermüdung auf langen Strecken zur Folge haben, lernt man erst richtig schätzen, wenn man vom neuen auf einen älteren Wagen umsteigt. Die Leichtgängigkeit der Kupplung wurde durch eine Tellerfeder erreicht, die an Stelle der bisherigen neun Druckfedern den für die kraftschlüssige Verbindung erforderlichen Druck ausübt. Ausgehend von der Seilkraft müsste das Kupplungsseil künftig eine mehrfache Lebensdauer erreichen.
Die seit Oktober 1967 serienmäßigen vorderen Duplexbremsen und die hinteren Simplexbremsen, beide mit neu gestalteten selbsttätigen Nachstellvorrichtungen und geklebten Bremsbelägen, die weiter abgefahren werden können als die genieteten, erleichtern nicht nur die Bedienung, sondern erhöhen auch die Sicherheit. Die bisherige Bremse mit ihren bei zunehmendem Alter meist noch schwergängiger werdenden Nachstellhebeln vermittelte manchmal den Eindruck, man hätte einen Traktor zu bremsen, der noch von einem schwer beladenen Anhänger geschoben wird. Bei der neuen Bremse genügt das Antippen des Pedals, um die im normalen Fahrbetrieb erforderlichen Verzögerungen zu erreichen. Bei Notbremsungen mit entsprechend hohem Fußkraftaufwand liegen die Bremsverzögerungen auf trockenen Fahrbahnen hart an der Grenze des physikalisch Möglichen. Die Abstimmung der Bremskraft gemäß der dynamischen Lastverteilung zwischen der Vorderachse und der Hinterachse lässt nach unserer Einschätzung keine Wünsche offen. Auch beim scharfen Bremsen blieb der Wagen stets in der Spur.
Es gibt auch bei anderen Aggregaten zahlreiche Detailverbesserungen, die wir im Rahmen des Tests gar nicht alle erwähnen können. Hier nur einige Beispiele. Die Schaltstange, deren Gummilager bisher relativ schnell ausklapperten, hat neue Lager erhalten, die das Schaltrohr in einer größeren Länge führen und die mit einem Schlauchband bei Bedarf nachgestellt werden können. Lenksäule und Lenkgetriebe sind nicht mehr mit dem steifen Gummielement, sondern mit einer elastischeren Gummigewebe-Scheibe (Hardy-Scheibe) verbunden, die die Fahrbahnstöße besser dämpft. Die Spurstangen haben wartungsfreie Gummigelenke, und die Achsschenkellager sind jetzt auch oben mit Gummiringen abgedichtet, die Schmutz und Spritzwasser fernhalten. Der Wagenboden und die Radkästen haben bereits seit Januar 1968 einen Unterbodenschutzanstrich, der keine zusätzlichen Pflegemaßnahmen erfordert. Auch die Längsträger, in denen sich die Einsteckrohre für den Wagenheber befinden, haben innen eine Bitumenschutzschicht, die in die mit Plaststopfen verschlossenen Bohrungen in den hinteren Radkästen eingesprüht wird. All diese Maßnahmen erhöhten die Zuverlässigkeit und erlaubten längere Wartungsintervalle. Sie trugen letztlich dazu bei, dass die Garantiezeit von bisher sechs auf zwölf Monate verlängert werden konnte.
Im Fahrverhalten, in der Straßenlage, Rutschsicherheit in Kurven, in der Spurhaltung auch unter schwierigen Bedingungen gehört der Trabant nach wie vor zu den sichersten und unproblematischsten Fahrzeugen, die wir kennen. Er reagiert ausgesprochen gutmütig und bricht nicht schlagartig aus. Wenn die Kurvengeschwindigkeit entsprechend dem Fahrbahnzustand etwas höher als zuträglich ist, beginnt er allmählich zu rutschen. In diesen Fällen genügt aber schon Gaswegnehmen, um den Wagen wieder zu stabilisieren und in die gewünschte Spur zu bringen. Die Federung ist nach unseren Erfahrungen nicht schlecht. Sie wird nur deshalb häufig als viel zu hart empfunden, weil überwiegend mit zu hohem Luftdruck gefahren wird. Wir haben über unsere Untersuchungen im Heft 12/1969 ausführlich berichtet. Selbstverständlich fuhren wir auch den Testwagen mit den der Belastung angepassten Luftdrücken, also vorn stets 1,4 at Überdruck, hinten 1,1 at Überdruck bei Belastung bis zwei Personen, 1,4 at Überdruck mit drei bis vier Personen usw. Mit dem Luftdruck 1,6 at Überdruck in den Hinterreifen, den nach unseren Erfahrungen die meisten benutzen, ist das Fahren allein oder zu zweit im wahrsten Sinne des Wortes eine Tortur, nicht nur für die Insassen, sondern auch für Karosserie und Fahrwerk.
DIE AUSSTATTUNG
Die Sitze der Luxus-Ausführung (und Sonderausführung) sind weicher gefedert. Man sitzt auf ihnen wesentlich bequemer als auf denen des Standard-Typs. Die Sitzposition entspricht aber unseres Erachtens eher der gewünschten Haltung beim Fernsehen, nicht den Erfordernissen beim Fahren. Die Rückenlehnen müssten steiler stehen, denn in der jetzigen Schräglage bieten sie zuwenig Halt. Wir haben versuchsweise zwei Zentimeter hohe Klötze unter die hinteren Auflagen des Sitzgestells gelegt. Dadurch wurde der ganze Sitz angehoben, und die Lehne kam in eine steilere Lage. Ich saß darauf angenehmer (Körpergröße 1,66 m). Inzwischen haben wir uns davon überzeugt, dass nicht alle Sitze dieser Art so extrem schräg stehen wie die unseres Testwagens.
Der Verzicht auf eine Verstellung der Lehnen ist aber ein entscheidender Nachteil und mit dem Begriff "Luxus" erst recht nicht zu vereinbaren. Die Sitze unseres Testwagens hatten noch eine unangenehme Eigenschaft: Sie diktierten die Fahrgeschwindigkeit auf welligen Straßen. Nahm man bei Bodenwellen nicht das Gas weg, so wurde man von der Sitzfederung mitunter bis an das Dach katapultiert. Geschah das plötzlich und unerwartet, so musste man sich Mühe geben, die Lenkung nicht zu verreißen. Trotz allem ziehen wir diese Sitze der bisherigen Standardausführung vor, denn man steigt auch nach mehreren hundert Kilometern ohne steife Glieder und ähnliche Ermüdungserscheinungen aus.
Die Heizung des Testwagens erschien uns nicht wirksamer als die der bisherigen Typen. Wir hatten eine bessere Heizleistung erwartet, da das Kühlluftgebläse mit höheren Drehzahlen läuft, die einen größeren Luftdurchsatz zur Folge haben. Außerdem hat der Trabant jetzt Entlüftungsöffnungen in den hinteren Dachsäulen, die einen schnelleren Luftwechsel im Wagen ermöglichen. Bei Außentemperaturen um minus 2 Grad taute der Eisbelag an den Türscheiben und an den hinteren Seitenscheiben innen und außen schon nach etwa 4 Kilometern nach Abfahrt. Die Windschutzscheibe war schon vorher frei. Als es kälter wurde, bei Temperaturen um minus 6 Grad am Morgen, reichte die Heizleistung nicht mehr aus, um die Seitenscheiben innerhalb von 15 Kilometer Fahrstrecke eisfrei zu bekommen. Anfangs gab es sogar einen zusätzlichen Beschlag auf der Windschutzscheibe, denn bei den in der Stadt möglichen Geschwindigkeiten ist der aus den Entfrosterdüsen austretende Luftstrom einfach zu gering, um die Scheibe freizuhalten. Diese anfängliche "Blindfahrt" könnte mit einem elektrisch angetriebenen Zusatzgebläse vermieden werden. Die besonders im Stadtverkehr bei niedrigen Geschwindigkeiten "unzureichende Heizleistung liegt unseres Erachtens daran, dass der nun auf Grund des erhöhten Übersetzungsverhältnisses beim Kühlgebläse noch intensiver gekühlte Motor bei Kältegraden weniger warm wird als bisher. Eine Drosselung der Kühlluft müsste nach unseren Erfahrungen Vorteile bringen.
Den Entlüftungsschlitzen in den Dachsäulen wird oft nachgesagt, dass sie dazu beitragen, die Heckscheibe beschlag- und eisfrei zu halten. Beim Testwagen war das nicht der Fall. Die Heckscheibe wurde erst nach etwa 40 bis 50 km Autobahnfahrt frei. Bei Stadtgeschwindigkeiten blieb sie undurchsichtig. Bei höheren Geschwindigkeiten auf längeren Strecken wird es auch im Innenraum recht angenehm warm.
Ein entscheidender Vorteil gerade für die Wintermonate ist das geänderte Übersetzungsverhältnis der Lichtmaschine. Sie läuft jetzt mit höheren Drehzahlen, die Batterie wird dadurch schon bei niedrigeren Geschwindigkeiten intensiver geladen. Eine Spannungsmessung beim Testwagen ergab, dass die maximale, vom Regler konstant gehaltene Lichtmaschinenspannung schon ab etwa 45 km/h im vierten Gang vorhanden war. Mit den bisherigen Typen musste man mindestens 60 km/h fahren, um das gleiche zu erreichen. Auf das Startverhalten, das mit der kleinen 56-Ah-Batterie bisher bei tieferen Temperaturen problematisch war, wird sich diese Änderung sicher günstig auswirken, denn der Ladezustand der Batterie wird insgesamt besser. Es ist aber auch ein Vorteil, dass der Platz im Trabant 601 für die Batterie reichlich bemessen ist. Nach Bedarf lässt sich auch die 84-Ah-Batterie dort unterbringen.
Das neue Tachometer, jetzt wieder in runder Ausführung, hat uns gut gefallen. Die Geschwindigkeit ist mit einem Blick abzulesen, und auch das Kilometerzählwerk ist bei Tag und Nacht einwandfrei zu erkennen. Das letztere war bisher bei keinem Trabant-Tachometer der Fall. Weitere Pluspunkte der Luxus-Ausführung (und Sonderausführung) sind das Abblendrelais, das die Umschaltung der Scheinwerfer mit dem Lenksäulenschalter ermöglicht sowie das Lenkblockschloss, das einen günstigen Platz unter den Lenksäulenträgern gefunden hat, wo der Schlüssel keine Verletzungsgefahr mehr darstellt.
Leider hat das Automobilwerk Zwickau nunmehr auch zehn Jahre lang die traditionellen Pastellfarbtöne beibehalten. Unseres Erachtens könnte die blasse Palette nun auch einmal einige kräftige Akzente vertragen. Der Trabant und nicht zuletzt auch das Straßenbild können dadurch nur gewinnen.
Alles in allem hat sich aber der Trabant im Laufe der inzwischen zehnjährigen Produktionszeit zu einem ansehnlichen und temperamentvollen Wagen entwickelt, der seinem Grundkonzept als anspruchsloser Familienwagen treu geblieben ist.
Test aus "Der Deutsche Straßenverkehr" Januar 1970
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Trabi als Objekt der Begierde
Die Polizei hat einen 25-Jährigen in einem gestohlenen Trabi gestoppt. Der Mann war betrunken, ohne Führerschein. Das Auto war bereits mehrmals abhanden gekommen – und immer wieder aufgetaucht.
Der Trabi wird immer öfter das Ziel krimineller Energien. Sicherlich ist es relativ einfach, in einen Trabanten einzubrechen und ihn auch schnell und erfolgreich kurz zu schließen. Auch ist den meisten Bürgern aus den neuen Bundesländern die Trabi-eigene Wegfahrsperre in Form eines manuell zu bedienenden Benzinhahnes bekannt. Was aber treibt jemanden dazu, einen Trabi für eine Spritztour zu entwenden, wo doch jeder Golf ein lohnenderes Objekt ist?
Die Ostalgiewelle schwappte vor einigen Jahren heftig über Gesamtdeutschland, sogar das Fernsehen sah darin ein großes potential und kreierte massenweise Ostalgieshows, vielfach mit dem Trabi als Zugpferd. Und allerlei Geschäftleute witterten Gewinn mit der Vermarktung der ostalgischen Vergangenheit.
Zurück zum Trabi, der so viele Jahre nach der Einstellung seiner Produktion vielerorts mit Ersatzteilproblemen zu kämpfen hat. Die Fahrzeuge, die noch auf den Straßen unterwegs sind, zählen in den meisten Fällen nicht mehr zu den Alltagsautos, sondern sind liebevoll restaurierte Unikate. Unikate deshalb, weil selbst ein auf Original getrimmter Trabant als solcher anzusehen ist, gerade wegen der prekären Lage bei den originalen Ersatzteilen. Aber auch in den getunten Plastebombern steckt sehr viel Erfindergeist und Individualität, so dass kaum ein 601er, 600er oder 500er dem anderen gleicht.
Sicherlich ist es mehr als ärgerlich, wenn einem Trabibesitzer sein Fahrzeug entwendet wird, aber gleichzeitig macht es doch ein wenig stolz, wenn es auf der einen Seite grade ein Trabi ist, der das Objekt der Begierde ist - es gibt immer wieder verzweifelte Aufrufe von Menschen, die sich gerne mal wieder in einen Trabi setzen und auch dafür bezahlen. Auf der anderen Seite ist der Bestohlene froh, wenn er sein Fahrzeug möglichst unbeschadet wieder bekommt, wie oben beschrieben. Als aktiver Trabifahrer weiß jeder, mit welcher Freude man in das einzige Fahrzeug mit einem lachenden Gesicht steigt und trotz der horrenden Benzinpreise von Treffen zu Treffen fährt, oder einfach mal eine Tour durch das Land macht.
Natürlich ist das Stehlen eines Trabis nicht zu tolerieren, ein wenig Verständnis für den Sünder aber, das darf sein.
Harry Hirsch, der rasende Netzreporter
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