Zerreißprobe
Tauziehen mit Trabi
Aufruhr bei Autofans: Drehorgel-Rolf lässt zwei Trucks auf eine Pappe losVersuch: Der Trabi hängt in der Luft |
Trauriges Ende: Zerstörter P50 |
Rolf Becker sagt, er habe sich das Spektakel genau überlegt: "Der Trabi hat eine faire Chance." Es handelt sich um einen runden P 50, Baujahr um 1960. Der Oldtimer, von seinen Fans auch "Kugel-Porsche" genannt, kommt bei einem großen Truckerfestival im Motopark Oschersleben (bei Magdeburg) zum Einsatz: Becker will den 500er Trabant, angeseilt an Hängerkupplung und Motoraufhängung, zwischen zwei fahrende 500 PS starke Trucks spannen lassen. Und dann sehen, ob dabei der Wagen auseinander gerissen wird. Seit der Plan bekannt wurde, hat Becker nach eigenen Angaben mehrere Morddrohungen erhalten.
Die Aktion erinnert an den berühmten Halbkugel-Versuch des Magdeburgers und Erfinders der Luftpumpe, Otto von Guericke (1602-1686). Selbst 16 Pferde konnten zwei Halbkugeln, die allein per Vakuum zusammengehalten wurden, nicht auseinander reißen. Das demonstrierte die Kraft des Luftdrucks. Über sein Trabi-Experiment sagt Becker, der als "Drehorgel-Rolf" gewisse Berühmtheit erlangt hat: "Ich mache ein Motorspektakel." Durch die Veranstalter steht er unter schwerem Druck, Spektakuläres zu bieten. "Die sagten mir: Mach mal Action, die den Truckern gefällt", erzählt Becker, "der Motopark will Blut sehen."
Bevor es an diesem Sonnabend um die Mittagszeit soweit ist, blutet zahlreichen Trabi-Sympathisanten schon längst das Herz. Genauer gesagt, die Szene ist in Aufruhr. In anonymen Diskussionsforen im Internet entlädt sich Zorn: Dass "der Typ nicht alle Tassen im Schrank hat", liest man. "Also Leute, packt die Eier, Tomaten und Pflastersteine ein - den kriegen wir", heißt es.
Schutz dem "Kulturgut".
Einige Nutzer der Internetseite trabi.de haben ein Flugblatt entworfen mit dem Titel: "Nein zur sinnlosen Zerstörung von Kulturgut!" Ansonsten gehe ein seltenes Stück ostdeutscher Autogeschichte verloren. "Viele Liebhaber wären froh, ein solches Auto zu besitzen", schreiben die Fans. Und: "Lass den Trabi leben!" Sie werfen "Drehorgel-Rolf" vor, er wolle sich mit seiner Aktion nur öffentlich in Szene setzen. Vom 9.Internationalen Trabant-Fahrer-Treffen in Zwickau, das ebenfalls an diesem Wochenende steigt und in der Regel mehrere Zehntausend Besucher anzieht, wurde Rolf Becker ausgeladen.
Darüber lacht der Hallenser Aktionskünstler nur. "Mich kann zu einer öffentlichen Veranstaltung keiner ausladen." Der Mann, der sich gerne als "Trabi-Papst" titulieren lässt, weist die Entrüstung von Fans des DDR-Volkswagens zurück: "Ich habe die Kiste vom Schrott geholt, einem Freund aus Gotha abgekauft. Für 100 Euro, viel für so 'ne Krücke." Der 55-Jährige beteuert auch, dass er an das Auto glaubt. "Ich habe gewettet, dass es den Lkws nicht gelingt, meinen Trabi auseinander zu reißen." Als Vorprogramm wird er versuchen, mit dem Plastebomber einen Truck abzuschleppen.
Nur kurz und laut redet Becker noch über die Gegner seiner Aktion ("blinde bis bösartige Fanatiker!"). Lieber wirbt er für andere Pläne: etwa die angebliche Lieferung eines DDR-Oldtimers ans belgische Königshaus. Oder der erneute Weitsprungversuch mit einem Trabi, diesmal über eine Rampe in den USA, zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli. Weit weg von zu Hause.
Nicht schlecht, denn hier hat Becker es sich mit einigen verdorben.
Quelle: Sächsische Zeitung vom 22./23. Juni 2002
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