Le Monde

Ins Deutsche übersetzte Auszüge aus dem Artikel über den Club-Euro-Trabi in «Le Monde» vom 21. und 22. Februar 1999

Der Trabant in Frankreich: er lockt auch französische Sammler an

Der Trabant, der den Lohn eines Jahrs und sechs Monate kostete, war das Symbol der ostdeutschen Personenkraftwagen und ist heute das Symbol des Falls der Berliner Mauer. Ein Trabant in gutem Zustand kostet heute zwischen 4000 und 5000F [ca. 750 €J.

[...] «Wollen Sie wirklich mit dem Ding nach Hause fahren?» Der deutsche Zöllner an der Grenze just vor Straßburg war durchaus ratlos, aber er musste es wahrhaben. Der Mann hatte natürlich die Absicht, mit seinem Trabant nach Paris zu fahren. Er hatte ihn in einer sächsischen Peugeot-Autoreparaturwerkstatt aufgetrieben. Auf ihm stand geschrieben: «Gebrauchtwagen, 6-Monate-Garantie».

Er wurde für ungefähr 1100 DM [=587€J gekauft und ist heute mit einigen seiner Verwandten auf einem privaten Parkplatz in den Hauts-de-Seine. Hier haben sich mehr als zehn Trabants, die zu Mitgliedern des Club-Euro-Trabi gehören, niedergelassen. Dieser französische Club zählte im Februar 1999 203 Anhänger und 243 merkwürdige Autos. U.a. Trabants mit Zweitaktmotor - zwei davon sollen viele Jahre hindurch die Berliner Mauer überwacht haben. [...].

«Trabis», wie man sie liebevoll in der DDR nannte, werden zuweilen inmitten eines Feldes entdeckt, wo ihr Besitzer sie im Stich gelassen hat, nachdem er viel Geld dafür bezahlt hatte. Diese Autos haben aber kein langweiliges Lebensende. Etwa 15 davon fahren täglich in der Pariser Gegend. «Dieser Kleinwagen ist ausgezeichnet für die Stadt. Jeden Morgen springt er sofort an und die Pflege ist gering», behauptet Claude Martin.

Dieser Informatiker, der Präsident des Club-Euro-Trabi, ist fast 60000 Kilometer am Steuer seines hellblauen Trabant-Kombis gefahren [...], der bis 1991 der Dienstwagen des Finanzverantwortlichen eines Potsdamer Kombinats war.

Die ulkigen Besitzer von Trabants [mögen die Witze, die sogenannten Trabi-Witze], [...].

Der Name «Trabant», der hinten am Auto geschrieben steht, ist überhaupt nicht leicht lesbar für diejenigen, die das Fahrzeug nicht gut kennen. Außerdem mögen es ihre Besitzer, mit dem ostdeutschen Nummernschild zu fahren. Und natürlich mit dem Aufkleber DDR. Während der Treffen, die vom Club organisiert werden, werden alle Liebhaber des Zweitakters herzlich eingeladen. Rote Flaggen, Bilder von Persönlichkeiten, die den Marxismus-Leninismus geprägt hatten, Lieder der Roten Armee sind dabei ...

Die Liebhaber dieses Autos, dessen Karosserie aus Phenolharz und Baumwollfasern bestand, sind weder sehnsüchtig nach einer zweipoligen Welt, noch Feinde des Kommunismus und haben nicht nur denselben Geschmack, was den Ulk angeht. Häufig haben sie [aus beruflichen Gründen] einige Monate oder einige Jahre ihres Lebens in der Nähe der Berliner Mauer verbracht, und zwar wegen Wehrdienstes, Berufs im Heer oder Berufsmission. Sie haben noch viele Erinnerungen im Kopf. «Der kleine Trabant, einst Symbol einer sterbenskranken Regierung, wurde zum Symbol der Freiheit seit dem Fall der Mauer», [...] sagt [ein Mitglied] [...].

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Trabant nicht nur eine Automobilseltenheit ist [...]. Über ein Auto, auf das ein verdienstvoller Arbeiter von Karl-Marx-Stadt 12 Jahre lang warten musste, nachdem er es bestellt hatte und das den übrigen Teil eines Lebens liebevoll gepflegt wurde, darf man sich nicht lustig machen.

Die Liebhaber des Trabants, ob Verkaufsdirektoren, ehemalige Militärs, Lehrer, lyrische Künstler oder [Geschäftsleute], reden mit Begeisterung davon, genauer gesagt mit aufrichtiger Wertschätzung und beißender Ironie. Endlos können sie sich über den Zweitakter mit seinen 26 PS staunen. [...].

Einige behaupten sehr unsachlich, dass es keinen Abgasrauch gibt, wenn sie mit ihrem P601 fahren, andere erzählen mit Rührung von ihrer letzten Panne. [...].

«Man muss nie mit einem Mal bremsen, denn man ist nicht sicher, wohin der Trabant fahren wird», behauptet ein Kenner. «Ich persönlich will immer wissen, ob er gutgelaunt ist, drücke ein wenig auf Pedal und passe genau auf die Lenkung auf. Man muss daran gewöhnt sein». Der Trabi-Fahrer muss sich an den Gashebel, der ganz rechts ist, seinen ganz weichen Lenkrad und seine Bremsung ohne jegliche Dosierung gewöhnen. Wenn man den Fuß vom Gaspedal im vierten Gang nimmt, hat man ein komisches Gefühl. Es ist immer ein bisschen erstaunlich ... [...].


Ein Bild aus der Werbung der späten 50-er Jahre ...