Gebrauchswert des Trabi

1.3: Gebrauchswert des Trabi: technische Leistungen und Grenzen

1.3.1: Ein Kind der Familie

Der Trabant, der 1989 zum «Auto des Jahres» gekürt wurde, nahm 30 Jahre lang am Leben der Ostdeutschen teil. Zuweilen wurde er kritisiert, aber am meisten war er der Stolz der Familie. Dieses Auto, auf das man bis 15 Jahre warten musste, trug oft einen Namen - z.B. hieß der Trabant im Film «Go Trabi Go» mit Wolfgang Stumph Schorsch - was zeigt, dass er einen großen Platz im Leben der Menschen hatte und sogar wie ein Kind behandelt wurde.

Einen Trabant zu haben war auch gleichbedeutend damit, in Urlaub zu fahren. Natürlich nicht irgendwo hin (gen Westen, Süden oder zuweilen auch nach Polen wurde es verboten oder nur in Ausnahmefällen gestattet); aber man konnte oft ohne Panne nach Bulgarien, in die Tschechoslowakei, nach Ungarn, sogar in die UdSSR fahren, wenn man das Geld dafür hatte.

Von den 70-er Jahren an wurde das Trabant «Dachzelt» handelsmäßig angeboten. Im Zelt, das auf dem Dach des Autos aufgeschlagen wurde, hatte man Platz, zu zweit zu schlafen. Das wurde von den Autofahrern sehr geschätzt.

Eine andere, aber nicht minder wichtige positive Seite des Trabant ist, dass er sehr leicht zu reparieren war. Z.B. konnte man den Motor alleine binnen 30-40 Minuten ersetzen, ohne in eine Autoreparaturwerkstatt gehen zu müssen. Die Technik des Kleinwagens war nämlich so einfach, dass jeder ihn reparieren konnte. Aber alles in allem gab es weniger Pannen, als man es vermuten könnte und als es im Westen zu Unrecht häufig gesagt wurde, zumal das Auto häufig überladen war und die Straßen in Osteuropa nicht in gutem Zustand waren. Man muss hinzufügen, dass auch bei Minustemperaturen der Trabant keine Anlassschwierigkeiten hatte.

1.3.2: Der Sport und der Trabi

Der Sport gehörte zum Alltag des Trabis, er hat ihn immer begleitet. Bereits im Oktober 1957 nahmen Wettbewerb-Trabis an der Wartburg-Rallye teil. Bis vor kurzem war das Auto bei Weltmeisterschaftsläufen mit dabei. Das Interessante ist, dass der Kleinwagen sich mehrerer Siege rühmen konnte. Das Ziel war nicht, der Schnellste zu sein, sondern gleichmäßig auf langen Strecken zu fahren. Der erste Sieg des Trabant auf internationaler Ebene erfolgte 1961 bei der Rallye Hanseat in der BRD. In 13 Ländern Europas hat der Trabant an Rallyes mit großem Erfolg teilgenommen. Im Verlaufe der 70-er Jahre wurde es aber nicht mehr möglich, bei solchen Veranstaltungen im Westen mit diesem Kleinwagen zu starten, zumal es oft zu Unfällen kam. Der Trabant wurde nicht mehr für westliche Meisterschaften zugelassen - obgleich er noch im Jahre 1980 den zweiten Platz bei der Rallye Akropolis erhielt.

Der Trabant nahm bis 1989 am anspruchsvollen Weltmeisterschaftslauf der 1000 Seen in Finnland teil. Eine Werksmannschaft steuerte den Wagen. Gerade beim letzten Start 1989 gewann er den zweiten, den dritten und den vierten Platz, worüber sich natürlich die DDR-Sportler freuten.

Häufig ging der Trabant bei DDR-Meisterschaften an den Start. Nicht selten gelang es ihm, besser platziert als der große Konkurrent, der Wartburg, zu sein.

Ab den 90-er Jahren war jede Hoffnung auf gute Platzierung für den Trabant verschwunden. Der Sport gehörte nicht mehr zu seinem Alltag.

1.3.3: Warum ist der Trabi ein überholtes Auto geblieben?

Kommen wir nun zu seinen zahlreichen negativen Punkten: Mehr als 30 Jahre lang ist er fast derselbe geblieben. 1990 sah er wie 30 Jahre früher aus. Außerdem war er ziemlich umweltfeindlich und gefährlich. Beginnen wir aber mit dem Mangel an Innovationen.

Alle, d.h. sowohl die DDR-Fahrer als auch die Sachsenring-Arbeiter waren sich dessen bewusst, dass der Trabant ein veraltetes Auto war. Zudem war sein Verkaufspreis viel zu hoch. Im Winter musste man sich daran gewöhnen, (fast) ohne Heizung zu fahren und sich der Musik zu enthalten, da das Geräusch des Motors das Autoradio dämpfte. Indes hatten die Zwickauer Ingenieure zahlreiche Prototypen entwickelt, die leider zu gar nichts führten. Niemand anderes als das Politbüro entschloss, ob sie serienmäßig hergestellt werden sollten oder nicht. Sogar das vielversprechende Projekt mit Skoda und Wartburg wurde abgelehnt, zum großen Bedauern des Trabantwerkes. Die Ingenieure aus Zwickau waren kompetent; nur die DDR-Regierung war dafür verantwortlich, dass der Trabant sich kaum entwickelt hatte. Deswegen entsprach er im Laufe der Zeit immer weniger dem Stand der westlichen Autos. Ein Teil der Prototypen ist heute im Trabant-Museum zu sehen.

Bereits 1961 hatten die Zwickauer Ingenieure daran gedacht, einen Trabant-Nachfolger zu entwickeln. Der Prototyp, P100 genannt, entstand in der ersten Hälfte des Jahres 1961. Er war größer als der Trabant; vier Erwachsene konnten bequem drinnen sitzen. Es soll zudem betont werden, dass dessen Karosserie nicht aus Duroplast war, wie die der anderen Trabant - wir werden später erklären, was eine Duroplastkarosserie ist -, sondern aus Stahl. Dieser Wagen hätte sich ohne jeden Zweifel auf dem Weltmarkt durchsetzen können, zumal er modisch aussah - seine Fensterflächen waren groß und seine Linien schön. Auch der Eisenacher Konkurrent, der Wartburg, hatte einen solchen Prototyp entwickelt. Die DDR-Regierung hatte aber verboten, diesen Wagen herzustellen. Damit begann eine Reihe von Fehlentscheidungen, die den DDR-Automobilbau sehr belastet hat. Hauptgrund der Ablehnung war der Mangel an Geld. Man darf nicht vergessen, dass die DDR der UdSSR Reparationen schuldig war. Deswegen wurde auch eine Unmenge von Maschinen in die UdSSR geschickt. Außerdem war Ostdeutschlands Wirtschaft sehr schwach; man bevorzugte also westliche Exporte, um Devisen zu haben, und verzichtete auf das Projekt des P100 ... Der Prototyp P100 fiel ins Wasser.

Die Zwickauer Ingenieure verzagten aber nicht und arbeiteten bereits an einem neuen Prototyp, dem P603, dem Nachfolger des P601 ... jedoch wurde auch dieser nicht Wirklichkeit. Ende September 1966 sagte das Politbüro «nein»!

In der Folgezeit war ein wichtiger Vertrag zwischen der Tschechoslowakei und der DDR unterschrieben worden: die Fabriken Skoda aus Mladá Boleslav, Wartburg aus Eisenach und Trabant aus Zwickau sollten ein gemeinsames Auto produzieren. Der P760, dessen Spitzname im Werk «Hängebauchschwein» war, entstand. Seine Merkmale waren ein Skoda-Motor und eine moderne Linie. Übrigens ähnelten japanische Autos einige Jahre später diesem P760. Anfang 1970 waren vier Prototypen des P760 hergestellt. 360000 solcher Autos sollten in der Tschechoslowakei und der DDR gebaut werden. Jedoch geschah gerade das, was alle fürchteten: das Nein des Politbüros. Außerdem wäre die Herstellung des P760 eine komplizierte Angelegenheit gewesen: Zwickau sollte den Grundtyp bauen und Eisenach sollte nur als Zulieferer fungieren. Von der Idee, einen gemeinsamen Wagen mit der Tschechoslowakei herzustellen, blieb nichts anderes, als Abstand nehmen zu müssen. In Eisenach und bei Sachsenring waren die für das Projekt Verantwortlichen frustriert, in Mladá Boleslav war man enttäuscht. In den Skoda-Fabriken arbeitete man also alleine an Nachfolge-Typen; dieses war für sie leichter als für Sachsenring, denn Skoda verfügte über moderne Maschinen - im Gegensatz zu den Zwickauer Werken. Allerdings war die Arbeit am P760 für die tschechische Firma nicht umsonst: um 1988 erschien der Favorit, der eine Variante des P760 war. Nochmals im Gegensatz zu Trabant hat sich Skoda auf dem Weltmarkt durchsetzen können - und heute zählt diese Marke dank VW zu den Großen Europas.

Im Juli des Jahres 1970 sollten - noch einmal! - Trabant und Wartburg ein gemeinsames Auto, den P610, entwickeln, dessen Motor Skoda liefern sollte. Der P610 sollte nicht mehr 100 km/h schnell sein, sondern ... 125km/h! Das Projekt war vielversprechend. Zwickau wollte 150000 und Eisenach 80000 Fahrzeuge herstellen. Wegen Geldmangels sollte er erst 1982 vom Band laufen. Aber am 6. November 1979 beschloss die Regierung, dieses Auto nicht mehr herzustellen ... oder nur im Jahre 1985. Alle waren verzweifelt. Jedoch wurden Anfang der 80-er Jahre etliche Prototypen entwickelt, unter anderem einer, der vielversprechend hätte sein können. Ein Viertaktmotor sollte den kleinen Zweitakter ersetzen; aber abermals hatte Berlin nicht zugestimmt.

Für die Ingenieure von Sachsenring blieb indes keine Zeit zum Müßiggang: nun entwickelten sie einen Dieselmotor, denn für die DDR war es billiger, Diesel zu importieren als Benzin. Endlich schienen die DDR-Politiker, die als Dienstfahrzeuge Citroën und Volvo hatten, verstanden zu haben, dass die Lage des Trabant katastrophal war: nicht genug Trabant wurden hergestellt, zuweilen waren keine Ersatzteile verfügbar, bis zu 17 Jahren musste man warten, bevor das Auto geliefert wurde. Dessen wurde sich die DDR-Regierung allmählich bewusst. Jedoch viel zu spät wurde der Zweitakter durch einen modernen Viertaktmotor ersetzt.

Damit wird besser verständlich, warum sich der Trabant im Laufe der Zeit kaum entwickelt hatte. Nicht die Ingenieure waren unfähig, sondern Berlin blockierte. Und nun interessieren wir uns für die Umweltprobleme und die Risiken, die der Trabant auslöste.

1.3.4: Die Crash-Tests

Erst 1990 mit einem von Professor Max Donner durchgeführter Crash-Test sah man ein, dass es gefährlich sein konnte, einer Trabant zu steuern. Die Ergebnisse dieses Testes waren unerwartet. Aber dies muss unbedingt differenziert werden:

Obgleich Tests immer mit neuen Wagen durchgeführt werden, hatte der Professor einen 28 Jahre alten P50 verwendet, der schon längst als ein Oldtimer betrachtet wurde. Dieses Auto war sehr verschlissen. Max Donner wurde deshalb kritisiert; infolgedessen wiederholte er seinen Test mit einem zwei Jahre alten P601. Das Ergebnis blieb aber unverändert schlecht: Beim aller ersten Aufprall blieb vom Trabant nichts übrig. Professor Donner sagte danach: «Ich begrüße jede Maßnahme, die uns von dieser Todeskiste befreit. [...]. Ich kann nur raten: Äußerste Vorsicht, wenn ein Trabi daherkommt [...]. Wer einen Trabi fährt, ist nicht nur dumm, sondern im höchsten Maße rücksichtslos» (Quelle: «So gefährlich ist ein Trabant» in: Auto-Bild vom 21. Mai 1990.). Wie man es vermuten kann, wurde Donner - vor allem von Ostdeutschen - getadelt. Danach wurde das Unfallverhalten im Vergleich zu anderen modernen Fahrzeugen von TÜV und der Dekra genauer untersucht. Erstaunlicherweise war das Ergebnis für den Trabant nicht so schlecht, wie man es vermuten konnte, es war sogar besser, als andere Autos wie z.B. der Ford Escort («Seine Karosserie brach beim versetzten Frontalaufprall mit 50 km/h wie ein Kartenhaus zusammen » (In: .ADAC-Motorweli von Juli 1990.)), der Daihatsu Cuore (« Nichts geht mehr! Karosserie ist total aufgebraucht » (In: Auto-Bild vom 4. September 1993.)), der Fiat Cinquecento (« Untenrum alles krumm! Wie ein Kartenhaus fällt der kleine Italiener zusammen » (In: ADAC-Motorwelt von Juli 1990.)), der Fiat Tipo («Auch der neue Tipo war im Crashtest eine Katastrophe » (Ebda.)). Das Ergebnis für den Trabant P601 lautete nämich : « Trabant-Fahrgastzelle kaum deformiert. Fahrschemel und Bodengruppe undeformiert » (In: Kraftfahrzeugtechnik von Februar 1991) ...

Wie dem auch sei, wurde Danner im Sommer 1997 dazu aufgefordert, sich mit ehemaligen Sachsenring-Arbeitern über seine Ergebnisse auszusprechen. Leider hatte er diese Erklärung absagen müssen, denn er wurde krank ... und starb genau einen Tag vor dem Treffen in Zwickau.

1.3.5: Professor Danner und die Duroplastkarosserie

Ein großer Fehler von Professor Danner war, dass er behauptete, dass der Trabant aus Pappe wäre. Zwar war er kein Auto aus Stahl, aber auch keine Pappe, wie Lästermäuler aus dem Westen es - immer noch - sagen.

Es ist nämlich so: In der DDR fehlte es nach dem Krieg an Blech für den Karosseriebau. Stahl gab es vor allem in der BRD, aber diese weigerte sich, in die DDR zu exportieren. Also musste die DDR in den 50-er Jahren einen Kunststoff entwickeln, um den zukünftigen Trabant herstellen zu können. 1955 wurde der neue Werkstoff erfunden: Der Trabant sollte eine Duroplastkarosserie haben, deren Grundstoffe Baumwolle und Phenolharz waren. Die Baumwolle sollte zu einem Vlies aufbereitet werden, auf das man Phenolharz aufbrachte. Und dann kamen die Teile in eine Presse. Das obere Gesenk der Oberdruckpressen bestand aus Hartgummi, das Untere aus Stahl. All dies wurde dann ca. 10 Minuten beheizt. Vorteil der Duroplastkarosserie: Korrosionsbeständigkeit. Die Zwickauer Ingenieure waren stolz auf diese Karosserie. Jedoch muss betont werden, dass sie nicht so stark war wie die aus Stahl. Am 23. April 1997 erschien in der meistgelesenen deutschen Zeitung, der Bild-Zeitung, ein Artikel über einen Unfall, bei dem eine Mutter samt ihren vier Kindern starb. Den wahren Schuldigen fand die Bild: der Trabi, den die Mutter gerade fuhr. Am 24. April stand dann auf der ersten Seite derselben Zeitung: «Forderung nach Horror-Unfall Trabi-Verbot auf unseren Straßen». Auf der Seite 6 stand im Artikel «Der Trabi ist eine rollende Zeitbombe» u.a.: «Die Karosserie ist aus Duroplast - dieses Material brennt wie Zunder!» Man sieh also, dass Herr Danner bei der Einschätzung der Risiken nicht so Unrecht hatte.

1.3.6: Der Trabi und die Umwelt

Ein anderes heikles Thema ist das Abgasverhalten des Trabant. Der Professor hatte behauptet, dass «der Trabant-Motor 10-mal mehr Gift durch den Auspuff [jage] als ein Golf ohne Kat» (Quelle: « Wird der Trabi verboten? » in: Super Illu vom 23 August 1990). Nach TÜV waren zahlreiche andere westliche Gebrauchtwagen viel umweltfeindlicher als der Trabant. In einer anderen Zeitung stand sogar: «Trabis, richtig eingestellt, sind laut DEKRA keine Umweltungeheuer. Die Abgase riechen zwar nicht gut, sind aber im Gegensatz zu manchen Viertaktern weniger giftig» (Quelle: « Kurz gemeldet» in Freie Presse vom 15. u. 16. Juli 1995). Man kann aber nicht verleugnen, dass Zweitakter grundsätzlich umweltfeindlicher waren als Viertakter. Es ist außerdem bewiesen worden, dass die Verbrennung des Pressstoffes, der Duroplastkarosserie, überhaupt nicht umweltfreundlich war. Dem Trabant wurde nach 1990 in seinem Land, der DDR, schmollend gegenübergestanden, er wurde von den Westeuropäern belächelt, von den Umweltschützern angegriffen und außerdem gab es das Problem mit der Wiederverwertung.

In der Tiefe der Seen, mitten im Wald, am Rande der Autobahn, auf den Bürgersteigen oder im benachbarten Polen ließen die Ostdeutschen ihren knatternden «Begleiter» im Stich. Die öffentlichen Behörden wussten nicht, was sie tun sollten. Ihre Karosserien ließen sich nicht wie die der anderen Autos zerstören. Wenn sie verbrannt wurden, dann wurden krebserregendes Dioxin und für die Wälder verunreinigender Schwefel freigesetzt. Wenn das Auto vergraben wurde, dann verfaulte es und verbreitete in der Erde dieselben Substanzen. Wissenschaftler haben sich also bemüht, eine Bakterie zu entdecken, die fähig war, die Hauptbestandteile der Duroplastkarosserie auszurotten. Was aus diesem Projekt geworden ist, weiß man nicht ...

Vor allem nach der Wende wurde man sich der Gefahr des Trabant bewusst. Und trotz alledem wuchsen in dieser Periode du Zahl der Trabant-Clubs; trotz aller Probleme liefen im Jahre 1997 immer noch 407252 Trabant. Deshalb ist man sich darüber einig dass das Jahr 1991 das Wiederentstehungsjahr des Kleinwagens aus Zwickau darstellt. Auch die Warnungen von Professor Max Danner waren umsonst ...


Ein Trabant mit Dachzelt und Anhänger: heute eine Rarität