Leben des Autos

1.2: 1958-1991: «Leben» des Autos
1992: Der neue Sachsenring

Nicht zufällig geht der Trabant P50 am 7. November 1957 in die Nullserie: es ist nämlich der 40. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution. Am Anfang werden nur 7 Stück hergestellt, deshalb ist fast überall zu lesen, dass das eigentliche Entstehungsjahr des Trabant 1958 ist; das Jahr, in dem sich die beiden Zwickauer Automobilwerke vereinigen und zu einem Großbetrieb werden. Am 10. Juli 1958 wird die Serienfertigung anfangen. Obgleich die Stückzahlen bis zum Jahresende eher gering bleiben, werden 1959 immerhin 20060 und im Jahre 1960 35270 Autos hergestellt. Der Trabant soll zunächst ein Familienauto sein, es ist für die Eltern und zwei Kinder bestimmt. Deswegen ist in der Werbung der Zeit ein Wagen zu sehen, in dem die Eltern mit ihren Kindern sitzen. Am Anfang kann der Trabant binnen vier Wochen geliefert werden. Immer mehr Familien wollen diesen Kleinwagen kaufen: im Bewusstsein ihres Erfolgs haben die Zwickauer Automobilwerke die Absicht, einen neuen Trabant zu bauen.

1.2.1: Die 60-er Jahre

Im Oktober 1962 wird der neue Trabant P60 dem ostdeutschen Publikum vorgestellt. Einzige Neuerung dieses Wagens ist dessen Höchstgeschwindigkeit, die auf 100 km/h klettert. Ein Jahr später produzieren die Zwickauer Automobilwerke wiederum einen neuen Trabant: den P60/1, den man wenig später P601 nennt. Seine Änderungen sind nur äußerlicher Natur, sonst ähnelt alles den früheren Trabanten. Wenn er mit westlichen Autos verglichen wird fällt sofort auf, dass er altmodisch ist. Statt eines Zweitaktmotors wäre ein Viertaktmotor besser gewesen, denn Zweitakter gehören im Westen zur Vergangenheit. Dies erklärt zum Teil, weshalb der Trabant 30 Jahre lang fast keinen Erfolg im Westen gehabt hat. Der P601 wird bis 1989 quasi unverändert bleiben. Aber wer hätte das 1963 geglaubt? Gegenüber dem P60 stellt der neue Trabant einen kleinen Fortschritt dar: er ist um 8 Zentimeter länger, circa 4 Zentimeter höher, Türgriffe mit Druckknopf und Scheibenwaschanlage werden angeboten. Stilistisch gesehen ist der P601 gelungen und entspricht ganz und gar dem Geschmack der Zeit. Zwar bleibt die Frontpartie dieselbe wie die des P50, aber die Fensterflächen sind gegenüber dem P60 um 26% angestiegen. Außerdem ist die Stoßstange aus Chrom und das schöne Sachsenringzeichen kann nicht unbeachtet bleiben. Ende 1965 kommt dann der Trabant-Kombi, Universal genannt, in Serie. Vier Erwachsene können bequem drinnen sitzen, wobei 95 Kilogramm für das Gepäck bleiben. Dieser Trabant ist sehr geräumig und viel größer als die Limousine. Zudem ist er eher für den Camping-Urlaub geeignet. Leider wurde er nur in geringer Stückzahl produziert: Von 100 hergestellten P601 wurden nur 20 Universal gebaut.

1966 wird die Trabant-Familie größer: Außer dem P601 gibt es nun auch den 601S (S= Sonderwunsch) und den 601 de luxe, die aber erst ein Jahr später in Serie gehen. Deren Verbesserungen sind neue Federn und neue Sitze. Der S de luxe kann sich eines farbigen Daches und mehrfarbiger Innenverkleidung rühmen. Außerdem kann die Kofferraumklappe ganz alleine offen bleiben, ohne dass man sie mit den Händen offen halten muss, was eine nicht zu übersehende Verbesserung darstellt. Ein ganz anderer Trabant, der für die Nationale Volksarmee bestimmt ist, wird nun produziert: der Trabant Kübel, auch «Grenz-Trabant» genannt. Eine zivile Variante gibt es sogar: den Tramp, der als Freizeit-Auto geschätzt wird. Dieser Kabrio hat kein richtiges Dach, sondern nur ein Faltverdeck. 1967 entsteht dann ein neuer Trabant, und zwar ein Lieferwagen. der auch im Westen ein wenig gekauft wird. Übrigens wurden in den Jahren 1964 bis 1967 viele Trabant für den Export hergestellt. 1965 wurden in der Bundesrepublik Deutschland 200 Trabant zugelassen (1966 229 Stück). Die meisten wurden aber in osteuropäischen Ländern wie Ungarn oder der Tschechoslowakei verkauft. All das hatte zum Nachteil, dass wenigere Trabant für die DDR produziert wurden. Es fehlte nämlich an Maschinen: die meisten wurden nach dem Krieg in die UdSSR geschickt.

Ab 1968 werden neue feste Sicherheitsgurte im Trabant vorgesehen - obgleich sich viele Autofahrer weigern, sie zu benützen. 1969 erhält der Trabant 3 PS mehr: es wird seine letzte Motorentwicklung sein. Nicht mehr in 24 Sekunden, sondern in nur 20 kann er die Geschwindigkeit von 80 km/h erreichen.

1.2.2: Die 70-er Jahre

Anfang der 70er Jahre sind nur kleine Veränderungen im Trabant vorhanden, die Ersatzteilversorgung beginnt ein Problem zu werden. Dessen werden sich die immer zahlreicheren Trabant-Käufer bewusst und fangen an, jedes verfügbare Teil auf Vorrat zu kaufen. Die Zwickauer Werke haben unüberbrückbar scheinende Finanzprobleme. Zahlreiche Ingenieure arbeiteten bis 1973 an einem neuen Trabant, einem P760, aber das Projekt scheitert. Da die CSSR ihrem Missfallen Ausdruck verleiht, versuchen die Konstrukteure eine Neuentwicklung, aber diesmal mit Viertaktmotor. Der Höhepunkt des Jahres 1973 ist am 22. November der einmillionste Trabant, der vom Band läuft. Viele Veranstaltungen werden eine Woche lang im Werk organisiert, an denen Stars von einst teilnehmen.

Von 1974 bis 1977 gibt es keine sichtbare Neuerung: Um dei großen Nachfrage zu entsprechen, werden viele Trabant hergestellt, aber deren Qualität wird immer schlechter. Die verschlissener Maschinen können nicht ersetzt werden, denn es fehlt an Geld. In P601 sind keine Weiterentwicklungen in Sicht, zumal die DDR Regierung Kostensenkung im Fertigungsaufwand fordert. Am 12. September 1978 beginnt die Produktion einer Variante des Kübels: die Produktion des neuen Tramps - wenn auch in geringen Stückzahlen hergestellt. Für einen Spielfilm, der in Bulgarien stattfand, wollte der Regisseur einen Trabi-Kübelwagen, aber weiß lackiert. Da es aber keinen weißen Kübelwagen gab. musste man einen weißen Tramp bauen. Im September entsteht er.

1.2.3: Die 80-er Jahre.

Am 1. Oktober 1982 läuft der zweimillionste Trabant vom Band.

Die das Angebot übersteigende Nachfrage ist so groß, dass die Zwickauer Werke allmählich zu klein werden: man hat vor, ein neues Werk aufzubauen, um dort unter anderem an einer Weiterentwicklung des Trabant P601 zu arbeiten. Der kleine Zweitaktmotor soll nämlich durch einen Skoda-Viertaktmotor ersetzt werden. Aber noch einmal wird dieses Projekt von der Regierung abgelehnt.

1984 wird allen deutlich, dass der kleine Zweitaktmotor nicht mehr dem Geschmack der Zeit entspricht. Man bereitet den Einbau eines VW-Polo-Motors vor, jedoch abermals scheitert wegen Finanzproblemen dieser Plan.

Währenddessen steigt der Preis des Trabant, der für einen zur mittleren Schicht der Gesellschaft gehörenden Ostdeutschen fast unbezahlbar wird. 1986, das Jahr, in dem der 2,5millionste Trabant hergestellt wird, gehen 34200 Stück in den Ostexport: nach Polen, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Jugoslawien. Auch nach Island werden wieder Trabante verkauft.

1988 ist für die DDR-Automobilwelt ein wichtiges Jahr: ein neuer Trabant mit Viertaktmotor, der Trabant 1.1, wird produziert. Zwar sieht er moderner aus, damit kann man - dank dem neuen Motor - schneller fahren, aber gerade dieser Motor passt nicht zum technisch nicht modifizierten Fahrwerk. Aus alledem ergibt sich, dass Probleme beim Fahren nicht übersehen werden können. Indes stellt dieser letzte Trabant den letzten Stolz der in den Zwickauer Werken Arbeitenden dar. Im gleichen Jahr werden übrigens 146550 Pkws hergestellt; eine solch hohe Jahresproduktion wurde in der Vergangenheit nie erreicht.

Und dann kommt das Jahr 1989! In Zwickau und Mosel wird fieberhaft gearbeitet; sogar ausländische Firmen wie z.B. aus Polen sind an der Montage des Trabant 1.1 beteiligt. Die Arbeiter handeln nach bestem Wissen und Gewissen ... bis zum 9. November 1989, als die Berliner Mauer fällt.

Das allererste Auto, das durch die deutsch-deutsche Grenze fährt, ist nichts anderes als ... ein Trabant! An diesem Abend sind Hunderte solcher Autos in Westberlin zu sehen. Endlich entdecken die Ostdeutschen eine ganz andere Automobillandschaft, die aus Audi, BMW und Mercedes besteht. Und endlich lernt Westeuropa diesen Kleinwagen kennen ... Der Mythos Trabant ist entstanden.

1.2.4: Die Jahre 90 und 91

Die Wende hat zur Folge, dass sich 1990 immer weniger Trabant verkaufen. Westliche Gebrauchtwagen rollen nämlich gen Osten und auf jeder Wiese sind Wagen aus dem Westen zu sehen. Die Ostdeutschen, die fast nur «Trabant» (oder «Wartburg») kannten, verausgaben Unsummen, um einen Westwagen, häufig in schlechtem Zustand, zu kaufen. Währenddessen hoffen die Trabant-Werktätigen auf die Chance, modernisierte Trabante 1.1 immer noch zu verkaufen. Am 21. Mai erfolgt dann der allerletzte Freudentag in den Sachsenring-Werken: der dreimillionste Trabant läuft vom Band. Wer hätte an diesem Tag gedacht, dass neun Wochen später, am 25. Juli, die Produktion des P601 an ihrem Ende angelangt wäre? Im Werk entstehen von nun an ausschließlich 1.1 Modelle, die ca. 18000 Mark kosten. Im Verlaufe der Monate kosten sie jedoch immer weniger Geld, denn die Nachfrage wird immer geringer. Im Jahre 1990 werden noch 91209 Pkws hergestellt.

Und dann kommt der 30. April 1991: der allerletzte Trabant 1.1 verlässt um 14 Uhr das Band. Natürlich sind die meisten Arbeiter ganz außer Fassung: mehr als 30 Jahre lang wurde der Trabant liebevoll gepflegt, und nun kommt das Aus ... Etwa 5000 Horch-Arbeiter werden von diesem Tag an bei VW in Mosel arbeiten, während die Anderen, vor allem die Älteren, in den Vorruhestand oder die Rente gehen.

3096099 Trabant wurden bis 1991 hergestellt. Aber das Einstellungsjahr bedeutet nicht das Ende des Trabant - im Gegenteil, wie wir es später erklären werden. Am Schluss arbeiteten immerhin 11300 Beschäftigte im Betrieb. Für das allererste Mal durfte Sachsenring an der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt am Main teilnehmen.

1.2.5: Ab 1992: der neue Sachsenring

Der Betrieb wurde dann im Dezember 1993 privatisiert. Zu dieser Zeit zählte er nur noch 285 Arbeiter. Im Gegensatz zu den meisten ehemaligen DDR-Firmen hatte indes Sachsenring die Chance, Investoren zu finden. Zwischen Dezember 1993 und Dezember 1994 machte die nun privatisierte Firma «35 Millionen DM Umsatz und 25 Millionen DM Verlust» (Quelle: DIE TRABI-STORY, DER DAUERBRENNER AUS ZWICKAU, Frank Rönicke- Stuttgart. Schrader Verlag. 1998. S. 115). Danach wurde alles besser: 1996 wurde Sachsenring zu einer Aktiengesellschaft; Anfang 1997 arbeiteten dort nicht weniger als 1700 Beschäftigte. 4500 VW-Beschäftigte arbeiteten Ende desselben Jahres in Zwickau-Mosel und 580 in Chemnitz.

1996 wurden die ehemaligen Horch-Werke modernisiert, im Oktober 1997 wurde zum Beginn der Produktion des VW Passat ein ganzer Teil ausgebaut. 1998 wurde der sogenannte «Hochbau» der ehemaligen Trabant-Werke renoviert.
Die zahlreichen Innovationen haben sich letzten Endes gelohnt Im August 1994 wurden in Zwickau 250000 VW Golf und im April 1997 ... eine halbe Million Autos dieser Marke produziert.

Man kann also feststellen, dass die Wirtschaftsbelebung in Zwickau-Mosel und Chemnitz dank VW und der Fähigkeiten der Trabant-Ingenieure und -Facharbeiter möglich war.


Anfang der 60-er Jahre: Blick in die Pressehalle