Der Trabant im "Spiegel"

Das seriöse deutsche Magazin "Der Spiegel" war eine der ersten Informationsquellen für meine Arbeit über den Trabant. Jedoch kann ich mit Abstand feststellen, dass die Artikel über den Zweitakter nicht immer sehr zuverlässig sind.

Zunächst einmal soll betont werden, dass vom Trabant nur in den Ausgaben zwischen dem 27. November 1989 und dem 27. Mai 1991 die Rede ist, was kaum erstaunlich ist. Vor dem Mauerfall interessierte sich keiner für dieses Auto - auch nicht das westdeutsche Magazin "Der Spiegel". Nach 1991 aber gehörte es gewissermaßen zum Alltag; es war nicht mehr nötig, darüber zu berichten. Deshalb wurden alle Artikel über den Trabi während der Zeitspanne 1989 und 1991 veröffentlicht.

Kennzeichnend für diese Berichte ist, dass sie kritisch der DDR gegenüber sind und dass sie falsche Informationen enthüllen. Allein deswegen kann einer sofort feststellen, dass "Der Spiegel" ein Westmagazin ist. Nehmen wir den Artikel "Orient in Preußen" vom 19. Februar 1990, S.258, als Beispiel. Dessen pseudotragischer Untertitel lautet: "Gibt es bald keine Trabis mehr?" Aber im folgenden Satz gibt es einen Fehler: "Massenhaft steigen DDR-Bürger von Plastik- auf westliche Metallautos um". Die Tatsache, dass der Trabant ein Plastikauto sei, war in der BRD sehr verbreitet, aber falsch. Seine Karosserie bestand aus Duroplast, nicht aus Plastik. Der Redakteur des Artikels hätte es wissen sollen. Derselbe Fehler wird im Text wiederholt; Anfang des vierten Abschnitts: "Das Volk steigt massenhaft von Plastik auf Blech um". Übrigens ist das Wort "Plastik" abwertend und trägt natürlich zur Kritik an der DDR bei.

In der Ausgabe vorn 19. März 1990, S. 140, wird ein Interview mit "IFA-Chef Voigt über den Automobilbau in der DDR" veröffentlicht. Dieses ist vom Pessimismus geprägt: "Kaum jemand will den Wagen kaufen", "die Absatzzahlen verschlimmern sich fast stündlich", "von unseren 65000 Werktätigen [...] könnten 60 bis 70% ihren Arbeitsplatz verlieren". Diese Sätze sind zwar realistisch, aber kennzeichnend für die Stimmung des Magazins. Niemals wird in diesem ein Funken Hoffnung oder ein positives Urteil über den Trabant lesbar. Sogar wird eine - falsche - Feststellung im "Spiegel" vom 7. Mai 1990 geschrieben: "Mittlerweile wurde kein Auto mehr verkauft", was natürlich übertrieben ist, vor allem wenn man bedenkt, dass innerhalb des Jahres 90 immerhin 91209 solche PKWs hergestellt werden!

Im Artikel "Rollende Zeitbomben" aus dem "Spiegel" vom 13. Juli 1990 wird vieles übertrieben, kritisiert und werden - abermals! - falsche Informationen veröffentlicht. Die Westdeutschen verbergen nicht ihre wirtschaftliche Überlegenheit und unterschätzen die Ossis, indem sie im Untertitel schreiben: "In der DDR häufen sich die Unfälle, weil einstige Trabi-Fahrer mit ihren neuen West-Flitzern nicht umgehen können". Ein solcher Satz wie etwa: "Ehemalige Trabi-Fahrer können nur mit verständlicher Mühe Westautos lenken", wäre weniger schockierend gewesen ... Im Text häufen sich Dinge, die absichtlich nicht gesagt werden, wenn vom Professor Donner die Rede ist. Zwar wird betont: "Die Plastik-Karosserie des Trabant splitterte, die Lenksäule bohrte sich in den Innenraum, das Dach löste sich, und weil der Tank vorn im Motorraum untergebracht ist, bestand außerdem auch noch Explosionsgefahr". Aber es wird nicht gesagt, dass für diesen Test einen 28 Jahre alten P50 verwendet wurde. Es wird auch hinzugefügt, dass "ein typischer Auffahrunfall mit einem Trabant und einem Westwagen simuliert wurde". Der Leser erfährt nicht, um was für einen "Westwagen" es sich handelt. Man weiß zudem, dass das Ergebnis für den Trabant katastrophal war. Vom Ergebnis des "Westwagen" wird kein Wort geschrieben. Das zeigt deutlich, dass die Artikel über den Trabi in diesem Magazin kaum zuverlässig sind.

In einem anderen Artikel in der Ausgabe vom 13. August 1990, S. 70, "Blausäure im Brikett", ist die Rede vom Umweltproblem mit dem Trabant. Dieser Artikel ist sehr gelungen, denn es wird eingehend erklärt, warum die Duroplastkarosserie nicht brennen kann. Was aber einen Trabi-Spezialisten schockieren kann, ist der Satz: ""Das ist weltweit eine Rarität", bestätigt Duroplast-Experte Ulrich König vom Ludwigshafener Chemiegiganten BASF". Für Menschen aus dem Westen, die sich nie mit dem Problem dieser Karosserie auseinandergesetzt haben, kann der Trabant als eine "Rarität" betrachtet werden; für einen "Experten" normalerweise nicht. Nicht nur der Trabant bestand aus Duroplast, sondern auch andere Autos, wie u.a. die Alpine, Matra, Corvette, Venturi. Einer der Vorteile dieser Karosserie ist, dass sie sehr leicht und robust ist. Sie ist zudem eher billig und gestattet, sehr schnell zu fahren. Für einige Raketen und für Schiffsrümpfe wird sie auch verwendet. Man sieht also, dass von "Rarität" keinesfalls die Rede sein kann.

Dies sind nur einige Beispiele, die dem Trabant-Spezialisten in die Augen springen. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Artikel über den Trabant im "Spiegel" nicht ganz zu empfehlen sind, wenn man sich sachlich über den Zweitakter ein wenig erkundigen will. Man kann aber die Fehler, die im Magazin vorhanden sind, verstehen: seine Redakteure stammen aus dem Westen und ihre Kenntnisse über das Auto sind also wirklich begrenzt. Jedoch kritisieren sie die DDR und man fühlt in ihren Worten kein Erbarmen mit den Ostdeutschen. Sie hätten von den Wartezeiten von über 10 Jahren sprechen können und darum die ehemaligen Trabi-Fahrer beklagen. Sie hätten auch erklären sollen, warum gerade die Duroplastkarosserie verwendet wurde, und sagen, dass dank der großen Fähigkeit der DDR-Ingenieure viele Prototypen hergestellt wurden, die wegen der Regierung nicht auf den Markt geworfen wurden, obgleich sie zur Modernisierung des Trabant hätten beitragen können ... Es wäre interessanter gewesen, wenn z.B. Ostdeutsche über ihre Erfahrungen mit dem Trabi geschrieben oder erklärt hätten, warum der Zweitakter aus Zwickau ein altmodisches Auto war. Über die Beliebtheit des Trabant im Westen - Treffen, Clubs - erfahren wir leider nichts.


Ein Foto aus der Periode kurz nach der Wende: der Trabant als Müll