Trabant - ein Mythos?

3.2: Warum ist der Trabant zu einem Mythos geworden ?

Natürlich kann man sich fragen, warum der einst von den Ostdeutschen so kritisierte, ja sogar gehasste Trabant heute eines der beliebtesten Autos der Welt ist.

Wahrscheinlich nicht dank seiner Höchstgeschwindigkeit: Mit nur einer Person besetzt und leerem Kofferraum, kann der Trabi nicht schneller als 108 km/h fahren. Das ist vermutlich der Langsamkeitsrekord der gesamten Automobilproduktion des Jahres 1991! Außerdem braucht der Zweitakter 49 Sekunden, um einen Kilometer zu durchfahren!

Zudem ist die Technik des Trabant aufs Notwendigste beschränkt. Der Motor macht so viel Geräusch, dass man nicht einmal das Radio hören kann ... Abgesehen von dem Gestank, dem Rauch und den Schwingungen ...

Und trotz aller unleugbaren Nachteile sind die Trabants zu einem Muss geworden, so dass Sammler alter Autos sie nun um jeden Preis haben wollen - auf alle Fälle ist ihr heutiger Preis durchaus erschwinglich.

Erinnern wir uns an den Abend des 9. Novembers 1989: Die Öffnung der Grenzen nach dem Westen wurde verkündet. Viele Menschen glaubten nicht an diese Nachricht und machten sich sofort auf den Weg, um es mit eigenen Augen zu sehen. Das allererste DDR-Auto, das über die deutsch-deutsche Grenze fuhr, war nichts Anderes als ... ein zitternder und zögernd fahrender Trabant. Zum ersten Mal waren Reihen von Trabants in jener Nacht auch in Westberlin zu sehen. Von diesem Augenblick an stellte dieses Auto für Westeuropa die gesamte DDR-Automobillandschaft dar. Deswegen kann man sagen, dass der Trabant zum Symbol der Freiheit wurde. Endlich konnten die Ostdeutschen damit die so lang ersehnte Freiheit erleben. Wie gesagt symbolisiert also der Trabi für die Historiker die Freiheit, das Ende des Ostblocks und die Zerstörung der Schandmauer.

Für manche aber erinnert er an die zehn bis fünfzehn Jahre Wartezeit, die jeder zukünftige Trabant-Besitzer erduldete! Zwar herrschte in der DDR die Vetternwirtschaft, d.h., dass jenem, der etwa die SED unterstützte oder zu ihr gehörte, sein Wagen erst einige Wochen nach der Bestellung geliefert werden konnte. Aber das stellte nur die Minderheit dar. Die in der Mitte der 70-er Jahre bestellten Trabants konnten erst Ende 1989/ Anfang 1990 - zum halben Preis, da fast niemand ihn mehr kaufen wollte— geliefert werden! Und wenn man bedenkt, dass ein Werktätiger so viel arbeiten musste, um sich dieses Auto leisten zu können ... Allein deshalb verdient der Trabi seine symbolische Rolle und man hat das Recht, ihn mit Ferrari, Rolls Royce oder auch Cadillac zu vergleichen, in dem Sinne, dass sie alle zu Mythen geworden sind. Auch die "Ente" von Citroen ist für die Franzosen zu einer Legende geworden. Für viele stellt sie den allerersten Wagen dar, der gekauft und gefahren wurde. Indes gibt es keine "Szene" wie mit dem Trabant. "Enten" sieht man fast nicht mehr, während Trabis ein wenig überall auf der Welt gegenwärtig sind.

Ich füge noch hinzu, dass der Mythos des Trabant im Westen entstand. Während er 1989 im Osten im Stich gelassen wurde und sogar gegen eine Bierflasche eingetauscht werden konnte, wurde er gleichzeitig in Westeuropa geehrt - und war 1989 das "Auto des Jahres". Erst einige Jahre später begann in der nun ehemaligen DDR die Sehnsucht nach der guten alten Zeit und allmählich erinnerte man sich an den treuen Begleiter wieder. Diese Art Rückblick wird "Ostalgie" genannt. Dieser Begriff bedeutet Sehnsucht nach dem Osten, nach allem, was zur DDR-Zeit gehörte, so wie etwa und vor allem ... der Trabi!

Im Gegensatz zum Trabant ist der Wartburg kein Mythos geworden.

Interessant ist zu bemerken, dass der andere ostdeutsche Wagen "Wartburg", der eher für wohlhabende Leute bedingt war, heute nicht so beliebt ist wie der "treue Begleiter" aus Zwickau. Dieser Wagen aus Eisenach wird zwar immer noch gefahren, aber er ist nicht zu einem Mythos geworden.

Beschäftigen wir uns nun mit den zahlreichen Beispielen für den Mythos dieses "Symbols der Freiheit".