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Tag 7 - 20. August 2005 - Molde, Atlantikstraße und Trollkirche

Der Regen hörte irgendwann in der Nacht auf, das Zelt war nass und der morgendliche Himmel verhieß nichts Gutes. Das Gefühl sollte Recht behalten, das große Gießen begann noch vor der Fähre über den Langfjorden. An diesem trüben Samstagmorgen  war kein Andrang und wir standen im Interesse der Fährbesatzung. Als kleine „Gegenleistung“ bekommen wir eine Privatführung im Maschinenraum, wo die Hauptmaschinen von MWM ihren gewohnt zuverlässigen Dienst verrichten. Noch vor Molde frühstücken wir in einer Regenpause, die Stadt durchfahren wir fast menschenleer. Wie bereits im Reiseführer erwähnt, ist sie sehr modern mit einer neu errichteten Betonkirche. Bekannt ist sie für ihr mildes Klima, in dem Rosen und Kastanien gedeihen, und für das Jazzfestival, das viele Gäste anlockt. Leider haben wir Wetter bedingt von beidem nichts mitbekommen. So setzen wir die Fahrt in Richtung Atlantikstraße fort, die sich wie eine Lebensader mittel Brücken und Dämmen einen sagenhaften Weg über die unzähligen Schären bahnt. Das Wetter hat ein Einsehen, der Regen hört auf und der Atlantik liegt spiegelglatt vor uns. Ich beginne eine kleine Kletterei auf die Anhöhen, um eine gute Fotoperspektive zu bekommen, besonders die geschwungene Brücke hat es mir angetan. Passend zum zerrissenen Himmel wären noch stürmische Winde aus West gewesen, um die Atmosphäre dramatischer erscheinen zu lassen. Wir erleben das Meer von seiner zahmsten Seite. Auf dem Rückweg nach Molde steuern wir die Trollkirka an. Die So gehe ich dem unheimlichen Rauschen nach und komme „Trollkirche“ ist eine  2 bis 7 Meter hohe Kalksteingrotte mit einem Wasserfall im Innern, erreichbar nach etwa einer Stunde Fußmarsch. So machen wir uns auf den Weg und meinem Bruder kommen wieder die „traumatischen“ Erinnerungen seiner letzten Bergerfahrung hoch. Keine Rolltreppe!!! Die Stunde ist vorüber, zu langsam waren wir nicht, doch keine Spur von einer Höhle. Mir kommen diverse Zweifel, ob der scheinbar im Nichts endende Weg inmitten der matschigen Wiese richtig ist. Ich erkunde die Gegend und finde frische Spuren, die weiter hinauf führen, Robbie folgt maulend und fluchend mit großem Abstand. Irgendwann stehen wir vor einem finsteren Loch, aus dem Wasser fließt. Ohne Taschenlampe war alles umsonst, doch wir haben eine dabei. Ich gehe allein rein, es ist sehr laut und kühl, mitten durch die Grotte schießt ein Bach und meine Lampe ist viel zu schwach für diese Szenerie. zum besagten Wasserfall, der durch das schwach einfallende Tageslicht erhellt wird. Für ein Foto reicht mein Blitzlicht nicht, so filme ich ein wenig. Ganz ehrlich gesagt war ich froh, als ich wohlbehalten wieder draußen war! Immerhin kam auch die Sonne zum Vorschein, die Talsicht verbesserte sich zusehends. Nun müssen wir nur noch den steilen glitschigen Abstieg überstehen. Speziell Bemme macht sich mit der Gewandtheit eines Kachelofens so seine nicht ungerechtfertigten Sorgen. Das Maulen und Meckern endet erst am Trabbi, wo wir Mittag machen und uns etwas ausruhen. Wir nutzen die Chance, um die nasse Ausrüstung zu trocknen. Auf dem weiteren Weg tanken wir, doch ist der Verkäufer nicht erstaunt. Wir sind zwar nicht auf Effekthascherei aus, doch es interessiert mich dennoch. Die Antwort ist einfach, er hat ebenfalls einen Trabant 601! Traurig erklärt er uns, dass er ihn nicht zugelassen bekommt, die Abgasnorm ist schuld!? Anschließend folgen wir der 70 bis kurz vor Oppdal, wo wir die Nebenstraße zum Orkdal nehmen. Das Wetter wird wieder schlechter, der Regen beginnt von neuem, der Scheibenwischer löst sich komplett. Wir können ihn aber noch während der Fahrt „einfangen“, er lag noch auf der Motorhaube. Damit verbunden mache ich mir Sorgen um einen Biwakplatz, es ist mal wieder spät geworden. Wir schleichen die gut geschotterte Piste entlang, werden aber nicht fündig. Kurz vor dem Sonnenuntergang frage ich einfach eine Familie, die an ihrem Wochenendhaus arbeitet, ob wir auf deren Grundstück zelten dürfen. Der Mann schaut uns etwas misstrauisch an, meint aber, wir können unten am Fluss zelten. Begeistert wirkt er aber nicht. Wir tappen also die steile, nasse Wiese herunter und bauen auf. Als kleine „Umstimmung“ schenke ich ihm die letzte Flasche „Goldkrone“. Das ändert alles, wir kommen ins Gespräch, können unsere Akkus laden und trinken noch bis Mitternacht Tee zusammen. Anders und Mette wohnen in der Nähe von Trondheim und bauen in dieser Traumlage ihr Wochenendhaus, die beiden Töchter helfen dabei. Als wir noch zum Frühstück eingeladen werden, freuen wir uns wirklich sehr. Der Tag geht nach 349 Kilometern zu Ende.

Tag 8 - 21. August 2005 - Trondheim und das „Nordfieber“

Wecken ist erst 7 Uhr 30, wir baden im eiskalten Fluss und bauen das Zelt ab. Frühstück ist gegen 9 Uhr geplant, also räumen wir noch alles zusammen. Das Essen war sehr angenehm, der Kaffee weckt, zusammen mit dem Flusswasser, mühelos Tote. Irgendwann müssen wir leider das interessante Gespräch abbrechen, denn wir müssen weiter. Natürlich nicht, ohne die Adressen zu tauschen! Sie geben uns noch wertvolle Tipps zu Trondheim, bevor wir sie verlassen. Der stark befahrene, autobahnähnliche Zubringer in die Stadt ist am Sonntag mautfrei, soviel Verkehr waren wir nicht mehr gewöhnt! Den Nidarosdom, das bedeutendste Sakralbauwerk Skandinaviens und zugleich die Krönungsstätte der norwegischen Könige, finden wir leicht. Die Kirche ist für unsere Verhältnisse nicht riesig, aber dennoch sehr prachtvoll. Die Fassade des spätromanisch-gotischen Bauwerkes ist mit Statuen norwegischer Könige, Bischöfe und biblischer Figuren reich verziert. Die 1930 eingebaute Orgel stammt übrigens von der Öttinger Firma Steinmeyer. Bei herrlichem Wetter erkunden wir noch die Umgebung des Doms und den Marktplatz, auf dem wegen eines Volleyballturniers reges Treiben herrscht. Ein Münztelefon finde ich dann auch noch, so kann mich meine Freundin auch mal „hören“. Die ewige SMS-Schreiberei haben wir beide satt! Auf der E6 mit viel Verkehr verlassen wir die Stadt, jetzt hält uns in Richtung Norden nichts mehr auf, das „Nordfieber“ ist unheilbar ausgebrochen! Für mich ist Trondheim die „psychologische“ Mitte der Tour, obwohl wir erst reichlich 2900 Kilometer gemeistert haben. Keine extremen Bergstraßen mehr, aber auch weniger Sehenswürdigkeiten, als sie noch der Süden zu bieten hatte. Ein Stück weiter nördlich machen wir eine kurze Rast zur Kaffeezeit, mehr durch Zufall neben einem Denkmal für die gefallenen Piloten der RAF im Kampf gegen die „Tirpitz“. Mit der Kaffeetasse in der Hand nehmen wir die Zündung von 3,0 auf 2,8 mm v. OT zurück, das Klingeln nervt gewaltig. Vorher haben wir als Gegenmaßnahme einfach etwas den Choke geöffnet, was den Spritverbrauch anhob. Die Bastelei hat sich bewährt, es ist besser geworden, ganz weg ist das Klingeln jedoch nicht. Etwa 300 Kilometer nördlich Trondheim finden wir einen wirklich schönen Biwakplatz, zwar direkt neben der E6, die nachts wenig Verkehr führt, aber unmittelbar an einem rauschenden Fluss. Wir bauen auf und machen Feuer, es ist frisch im Norden. Außerdem vertreibt es die unzähligen Mücken und wir können unsere Fleischwurststücken brutzeln. In der Dämmerung kommt ein endloser Güterzug vorbeigedonnert, beladen mit unzähligen Containern und gezogen von zwei mächtig grummelnden Dieselloks. Leider hatte ich die Kamera zu spät in der Hand, noch ein Zug war mir nicht vergönnt. Sehr imposant sind die LKW mit ihren Rammgittern, manche haben „Elchabschussmarken“ an der Tür. Uns warnten sehr viele Leute, nachts zu fahren. In der Werkstatt in Lom sah ich das Foto einer solchen Begegnung. Der Volvo sah aus, als ob er gegen einen Brückenfeiler geprallt wäre. Die possierlichen Tierchen werden zwischen 600 und 800 kg schwer, das ist unser Pappengewicht!? Wir ulken herum, dass wir den Elch allenfalls mit unserer Antenne am Bauch kraulen und drunter durch passen. Auf ein solches Treffen sind wir wirklich nicht scharf, wir hätten keine Chance! Nach 398 Kilometern  geht auch dieser Tag Mücken geplagt zu Ende.

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