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Norwegen 2005 - Der Weg nach Norden

Mit der Rennpappe von Eilenburg zum Nordkap

Wie alles begann…

Ich weiß nicht mehr genau, wie alt ich damals war, als mir mein Großvater ein altes Buch zeigte, das Bilder eines Landes hoch oben im Norden zeigte, von dem er mir so oft schon erzählte. Es muss noch im Kindergartenalter gewesen sein, denn ab dem Zeitpunkt konnte ich mir ein ungefähres Bild davon machen. Was ich darin sah, brachte meine Augen voller Erstaunen und Überraschung zum Leuchten. Er war vor vielen Jahren dort, stationiert im 2. Weltkrieg als Angehöriger der Luftwaffe. In seiner 3.Staffel des Kampfgeschwaders 30 war er unter anderem in Bardufoss und Banak (Norwegen) sowie in Kemi (Finnland) und wartete in seiner Funktion als Bordmechaniker die eingesetzten Junkers Ju 88 A - Bomber.

Sehr oft hat er mir von diesem wunderschönen Land erzählt, es muss ihn überaus fasziniert haben. Er sprach von den tiefblauen Fjorden, schneebedeckten Bergen und Seen, den großen Entfernungen, den warmen Sommern, in denen die Sonne nicht hinter dem Horizont abtaucht, den eisigen Wintern mit dem sagenhaften Polarlicht samt der langen Dunkelheit und dass er sehr gern einmal wieder dahin reisen möchte. Am liebsten mit den Postschiffen der Hurtigruten, die entlang der Eismeerküste von Bergen im Süden bis nach Kirkenes im äußersten Osten fahren. Aber noch viel lieber mit dem Flugzeug, wie konnte es auch anders zu erwarten sein. Allerdings muss ich auch anmerken, dass er den Maschinen mit Turbinenantrieb nie so recht vertraute, ein unverwüstliches und damit Vertrauen erweckendes Hubkolbentriebwerk mit Propeller ist schon eher nach seinem Geschmack. Vor der Wende 1989 verhinderte es das politische System, heute sein hohes Alter. So recht vorstellen konnte ich mir dieses Land nicht, als hohe Berge kannte ich damals allenfalls das Riesengebirge und die Alpen von Bildern, letztere sollte ich erst viele Jahre später sehen. Die unglaublichen s/w-Aufnahmen sollten das schlagartig ändern. Danach konnte ich ihn gut verstehen, allerdings ging ich niemals davon aus, all das je zu Gesicht zu bekommen. Wie auch immer, die Jahre vergingen, ich wurde älter, doch im Hinterkopf schwelte dieser Gedanke an das lang gestreckte Land im Norden. Die Geographie und damit verbunden selbstredend Karten sowie Atlanten aller Art interessieren mich seit jeher. Ich konnte es mir nie verkneifen, in einem Europaatlas die Planungskarten mit den großen Maßstäben aufzublättern, um einen Blick nach Norwegen zu riskieren…

Die Vorhaben

Als ich endlich einen Mopedführerschein hatte, schwante mir schon der Gedanke, einfach mit meiner „Simson“ hochzufahren. Allerdings sprengte dieses Vorhaben mein finanzielles Budget, denn ich bekam nie Taschengeld. Das Vertrauen in die Technik war da, aber ich muss wohl nicht erwähnen, dass meine Eltern mich für wahnsinnig hielten. Jedenfalls schrieb ich Simson Suhl an, ob sie mich unterstützen würden, sie antworteten mir sogar. Begeistert waren sie, doch machten sie mir keine Hoffnung auf Sponsoring, da sie sich einerseits „in Auflösung“ befanden und andererseits Mopeds für Kurzstrecken bauten. Es wurde also nichts! Ich machte mein Abi, mittendrin den Autoführerschein, und hatte noch immer kein Geld für die Tour. Die Bundeswehr glimmte als Hoffnungsschimmer, im Grundwehrdienst bekam ich mein erstes regelmäßiges Geld. Währenddessen ließ ich es mir nicht nehmen, mit der Simson meine österreichischen Bekannten bei Steyr zu besuchen. Was mit einer Wette begann, wurde prompt von mir durchgezogen. Start war in Mügeln bei Oschatz, dann fix nach Hof, die Strecke bin ich wenigstens sechsmal zu meiner Uroma gefahren, dort übernachtet und weiter nach Regensburg in die Kaserne. Am Pfingstwochenende ging es über Passau nach Österreich. Die Grenzer schauten mich komplett ungläubig an, sie konnten nicht verstehen, wie ich mit „dem Ding“ (?) bis dahin gekommen war. Zurück ging es mit Zwischenstation Regensburg, von da ab nonstop über die Tschechei nach Mügeln. Nach der Bundeswehr 1996 wollte ich dann mit einem Kumpel, meinem Bruder und einem Wartburg 1.3 aufbrechen. Dazu hätten wir sehr günstig einen Wohnwagen (Queck Junior) bekommen können. Das scheiterte daran, dass mein Freund keinen Urlaub bekam. Aus „Trotz“ haben wir dann eine Alpentour durch Südtirol gemacht und sämtliche sich anbietenden Pässe mitgenommen, der Wartburg ging erwartungsgemäß wie ein Uhrwerk…

Das Auto

Mein Studium begann 1996, die Finanzlage war chronisch angespannt, das Vorhaben rückte in weite Ferne. 1998 haben wir eine Österreich-Schweiz-Tour mit eben dem Trabant P 601 „Universal“ gemacht, der uns zum Kap bringen wird. Allerdings im bedauerlichen optisch-technischen Zustand als „Firmenauto“ meines Vaters. Wir haben ihn geschenkt bekommen, unter dem Schleppdach sah er so vollkommen verdreckt einfach Mitleid erregend aus. Gestartet sind wir mit einem Ersatzrad, einem Keilriemen und einer Hand voll Zündkerzen, praktisch ohne jede Vorbereitung. Wo bleibt da auch die Herausforderung?  Fast 2 Jahre war er mein Begleiter als Bettelstudent. Als mein Bruder den Führerschein machte, baute er ihn in akribischer Kleinarbeit komplett neu auf. Wie ich schon sagte, es war eine „Betriebsleiche“, ein Baufahrzeug, runtergekommen, betrieben fast nur auf Feldwegen als Kundendienstauto für Landmaschinen. Das sollte sich sehr bald ändern. In den Papieren steht als Erstzulassung der 18.Oktober 1963, original sind aus dieser Zeit allenfalls die Sitze. Wir steckten also in der Zwickmühle zwischen originalgetreuem Aufbau oder „leichten“, aber alltagstauglichen Umbau. Entschieden haben wir uns für letzteres, so ging es an die Arbeit. Alles begann mit der Neulackierung in einem satten Grün-Ton verbunden mit dem Anbau einer neuen Front- und Heckschürze sowie Seitenschwellern. Etwas später wurde noch ein Sportvorschalldämpfer und ein ungedämpfter Luftfilter angebaut, die Vorderachse wurde der Straße um 50 Millimeter näher gebracht. Das Resultat konnte und kann sich wirklich sehen lassen. Das Mulde-Hochwasser im Jahre 2002, das auch Eilenburg ereilte, hätte alle Arbeit zunichte machen können, wenn nicht in buchstäblich letzter Minute das Auto aus der Garage geholt worden wäre. Die braunen Fluten standen fast 1.40 m in der Garage, nur Dachwölbung und Antenne hätten aus dem Wasser geschaut. Glück gehabt, nichts passiert! Nach dem Deichbruch des Mühlgrabens konnte man den rasanten Wasseranstieg beobachten, der im Garagenkomplex einigen Autos das „Leben“ kostete. Damit nicht genug wurde technisch alles überholt, was machbar war. Über das Himmelfahrt-Wochenende 2004 haben wir uns in den Kopf gesetzt, zum internationalen Trabanttreffen nach Valverde di Cesenatico an der italienischen Adria zu fahren. Für die reichlich 1100 Kilometer haben wir uns für eine abwechslungsreiche Strecke entschieden. Auf der Landstraße ging es zu unseren Bekannten nach Österreich, von da über die Großglockner-Hochalpenstraße, die uns mit schlechter Sicht und rauchenden Bremsbelägen auf der Vorderachse zu ärgern versuchte, und den Plöckenpass nach Italien rein. Der Versuch, die lädierte Bremse am Samstag in Österreich zu reparieren, war zum Scheitern verurteilt. Die halten es nicht für nötig, am Wochenende eine Werkstatt zu öffnen. Wir hatten alle Teile mit, nur keinen Schlagschrauber für die Radnabe. Diese mit dem Ringschlüssel zu lösen, birgt die potentielle Gefahr des Abrutschens und somit der Lackzerstörung, was das unweigerliche „Frühableben“ meinerseits, hervorgerufen durch meinen Bruder, zur Folge gehabt hätte. Das hieß im Klartext, bei strömendem Regen mit der bis zum Anschlag nachgestellten Handbremse und bockendem Motor im Schiebebetrieb über den Plöckenpass zu fahren. Es war wirklich sehr still im Auto auf den Gefällekilometern! In Tolmezzo haben wir bei Peugeot offene Türen gefunden, sie schauten zwar total erstaunt, als sie das Auto sahen, halfen uns aber sehr entgegenkommend. Nach einer vierzigminütigen Bremsenüberholshow, die mit dem geliehenen Schlagschrauber, unseren Ersatzteilen und dem Drehmomentenschlüssel generalstabsmäßig klappte und zu der die komplette Werkstatt zusammenlief, konnten wir die Fahrt plangemäß fortsetzen. Ein paar weniger hohe Nebenstraßenpässe brachten uns in Richtung Süden bis kurz vor Venedig und an der Adria entlang bis Valverde di Cesenatico. Das Treffen selbst war sehr angenehm, top organisiert und erstaunlich familiär. Der Besuch von San Marino stand natürlich auf dem Programm, schließlich sind wir nicht jede Woche dort. Der Heimweg brachte uns auf der Landstraße zum Gardasee, entlang der Gardesana Okzidentale nach Riva, über Trento, Bozen und den Jaufenpass bis zum Brenner. Der letzte Südtiroler Pass musste uns mal wieder mit der Bremse ärgern, ab Sterzing (Vipiteno) ging es dann nur noch mit der Handbremse weiter. Der Brenner war nicht weiter kritisch, der Scharnitzpass nach Garmisch ebenso nicht. Wir haben uns dann für die Autobahn entschieden, um die Bremserei von vornherein zu minimieren. Durch München sind wir auch gut gerollt, der Rest war unproblematisch. In Eilenburg angekommen, waren wir uns wieder einig, doch noch fahren zu können. Mit meinem Citroen ist das nach wie vor richtiggehend anspruchslos! Schuldig war ein fester Radbremszylinder, nicht, wie von mir fälschlicherweise angenommen, die vorderen Radlager, was man im „Flachland“ überhaupt nicht bemerkt, in den Bergen sehr wohl! Im Klartext: Die Vorbereitung ließ doch sehr zu wünschen übrig und wir haben viel Arbeit! Im letzten Winter überholte Robbi, mein Bruder mit dem Spitznamen „Bemme“, das komplette Getriebe und alle Lagerungen der Vorderachse. Alle Achtung, denn es funktioniert tadellos und wird mitfahren. Momentan ist die Pappe in absoluter Bestform, nur mein Bruder hat noch leichte Bedenken deswegen. Er malt meistens ein wenig schwarz, das liegt wohl in der Familie…

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