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Trabantszene

Trabantszene

Nachrichten frisch aus der Szene

Die abenteuerlichen Erlebnisse eines Trabifahrers

2003-11-09 00:00:01 Geändert: 2008-09-04 17:44:06 (2) (Gelesen: 17268)
Warum hat der Trabi eine beheizbare Heckscheibe??
- damit man sich beim Anschieben die Finger nicht erfriert!

Als ich über diesen und zahlreiche anderen Trabi-Witze lachte, die kurz nach dem Fall der Mauer zusammen mit tausenden von Trabis über die Grenze kamen, habe ich nicht im Traum daran gedacht, selbst einmal mit Begeisterung ein solches Gefährt zu fahren. Zugegeben: irgendwie haben mich die "Plastikbomber" schon immer fasziniert, und ich sah den einzelnen Trabis, die sich bis nach Höchberg verirrten, interessiert nach.

Eines Tages bekam ich dann eine Zeitung aus Dresden in die Hände, und unter der Rubrik "Automarkt" konnte ich dann viele Anzeigen ähnlich dieser lesen: Trabant 601, Bj '82, 80tkm, AHZV (Anhänger-Zug-Vorrichtung), TÜV, 400 DM, etc... Eigentlich gar nicht teuer... sollte ich mir einen Trabi kaufen? Diese Idee ließ mich nicht mehr los - Obwohl... - einen Trabi?? Ob ich den denn hier überhaupt fahren darf?? Also rief ich zunächst beim Landratsamt an: "...einen Trabi wollen sie anmelden?... Warum sollte es denn nicht gehen?? ...ach wegen den Abgasen? ...die Trabis haben doch eine unbefristete Ausnahmegenehmigung!" Also entschloss ich mich, mir einen Trabi zu kaufen.

Sachsenring-LogoZwei Wochen später, im August 1991, war es dann soweit: Ich fuhr zusammen mit meinem Vater, der dort beruflich zu tun hatte, nach Dresden, um mich dort nach einem Trabi umzusehen. Vorsorglich nahm ich gleich einen großen Werkzeugkoffer mit (immerhin musste ich ja mit einem Trabi die 450km zurück bis nach Würzburg gelangen).

In Dresden angekommen, wurde mir dann erst einmal klar, was eine "Trabantenstadt" ist: vor dem Hochhaus, in dem ich die nächsten Tage übernachten sollte, standen über fünfzig Trabis nebeneinander. Und jeder glich wie ein Ei dem anderen: klein, grau und mit Anhängerkupplung. Später erfuhr ich dann, dass die einheitliche Farbe gar nicht "grau" hieß, sondern "Papyrus" (oder habe ich da was mit dem Material der Karosserie verwechselt?). Am nächsten Tag rief ich dann mehrere Personen an, die Ihre Trabis verkaufen wollten. Ich entschied mich für den acht Jahre alten Trabi einer Frau, die ich sogleich besuchte. So stieg ich in eine der ungewöhnlich kleinen Straßenbahnen (ca. 20 Sitzplätze), die dann mit halsbrecherischer Geschwindigkeit klappernd durch die Stadt raste (Eine Woche später las ich in der Zeitung, dass auf besagter Linie eine Straßenbahn wegen überhöhter Geschwindigkeit entgleist ist...).

Als ich bei der Dame angekommen war, erzählte sie, dass sie den erst zwei Jahre alten Trabi Ihres Sohnes übernommen hat, der sich ein "richtiges" Auto gekauft hatte, und deshalb ihr acht Jahre altes Fahrzeug verkaufen wollte. Beim Starten des Motors, der sich meiner Meinung nach wie eine Mischung aus Kettensäge und Rasenmäher anhörte, stellten wir dann fest, dass er etwas seltsam spotzte, offenbar weil die Kraftstoffzufuhr verstopft war. Das passiert, wenn man einen Trabi mehrere Wochen unbenutzt stehen lässt, weil sich dann das Kraftstoffgemisch zersetzt. Also musste der Trabi erst einmal in eine Werkstatt, und ich konnte zwei Tage später wiederkommen.
Während ich mir dann so die Zeit vertrieb, wurde mir beim Gedanken, mit dem Trabi alleine bis nach Würzburg fahren zu müssen, etwas unwohl, und ich beschloss, für alle Fälle noch in Dresden dem ADAC beizutreten. Die ADAC-Mitarbeiterin konnte gar nicht verstehen, warum jemand, der in Würzburg wohnt, ausgerechnet in Dresden dem ADAC beitreten will.

Tatsächlich war der Fehler zwei Tage später behoben, und ich konnte den Trabi endlich abholen. Für zweihundert DM wechselte er den Besitzer, und ich bekam sogar ein Heftchen mit noch fünf Monate gültigen KFZ-Steuermarken und eine halbe Tankfüllung Zweitakter-Gemisch dazu.

Typenschild Trabi

Kurz bevor ich einstieg, fragte mich dann noch die Verkäuferin fassungslos, wie ich denn eigentlich auf die Idee gekommen sei, mir als "Wessi" einen Trabi zu kaufen. Das konnte ich auch nicht so genau sagen.

Es ging los. Ich drehte den Zündschlüssel, und der Motor sprang problemlos an. Dieser Sound! Das Einlegen eines Ganges bereitete mir zunächst größere Schwierigkeiten - ich fand nämlich keinen Schaltknüppel. Ach so, Trabis haben eine Lenkradschaltung. Langsam zockelte ich aus der Parklücke heraus, und versuchte, einen höheren Gang einzulegen. Ich erwischte den vierten. Nach der nächsten Ecke begann der Motor plötzlich seltsam zu stottern und ging aus. Schon kaputt?? Alle Versuche waren vergebens - er sprang einfach nicht mehr an. Hilflos stand ich mitten aus der Straße. Was sollte ich tun? Doch da kam die Verkäuferin lachend um die Ecke. Sie habe sich schon gedacht, dass ich hier stehen bleiben würde, denn ich habe vergessen, den Benzinhahn zu öffnen. Benzinhahn??? Tatsächlich, unter dem Armaturenbrett befand sich eine Art Drehschalter, der in Stellung "ZU" stand. Ich öffnete ihn, und der Trabi sprang wieder an. Ich fuhr also zu meiner Wohnung zurück und parkte zwischen den zahlreichen anderen Trabis.

Als ich eine Stunde später den Werkzeugkoffer in den Kofferraum stellen wollte, stand ich vor einem größeren Problem: Welcher Trabi war meiner?? Ich kannte weder meine Autonummer, noch sonst ein markantes Merkmal, und alle Trabis sahen genauso aus. So ging ich von Trabi zu Trabi - dieser war es nicht, denn ich hatte keine Sitzfelle..., dieser bestimmt auch nicht... Als ich glaubte, den richtigen gefunden zu haben, steckte ich den Schlüssel in die Türe - er passte.

Dann las ich erst einmal die Bedienungsanleitung durch. In der Einleitung stand: "Der Trabant ist auf den Straßen der DDR sowie im Ausland kein Neuling mehr. Seine Bewährungsprobe hat er ... auf allen Gebieten bestanden. Besonders ist hervorzuheben, dass er bei ... internationalen Rallyefahrten sehr große Erfolge erzielt hat. ... Er ist in seiner Klasse ein schnittiges, elegantes und temperamentvolles Fahrzeug (!!!). Es folgt eine ausführliche Beschreibung der technischen Daten: Höchstgeschwindigkeit: ca. 100km/h (im Fahrzeugschein ist die entsprechende Spalte freigelassen). Unter "Fahrpraxis" kann man lesen: "Die Höchstgeschwindigkeit soll nicht länger als 15 Minuten beibehalten werden".
Außerdem: " Die Straßenlage und die Beschleunigung Ihres Trabant sind ausgezeichnet".
Er folgt eine genaue Beschreibung aller Einzelheiten, z.B. "Kraftstoffvorrat prüfen: Kraftstoffbehälter öffnen und mit Hilfe des Messstabes feststellen, wie viel Kraftstoff noch vorhanden ist." In der zweiten Hälfte befindet sich eine genaue Reparaturanleitung aller möglicher Fehler. Irgendwie erschreckend, was alles kaputtgehen kann!

Am nächsten Morgen machte ich mich auf die Heimfahrt. Zunächst tankte ich einmal voll - der Tank eines Trabis ist unter der Motorhaube und fasst 25l. Das dürfte kaum bis nach Hause reichen, und an der Autobahn gibt es (zumindest in den alten Bundesländern) vermutlich keine Gemisch-Zapfsäulen (dort kommen ja normalerweise keine Mofas vorbei). Also besorgte ich einen Reservekanister, den ich ebenfalls füllte, und einen Liter Zweitakter - Öl, wie es auch für Mofas verwendet wird. So konnte ich notfalls meinen Kraftstoff selber mischen.
Um 10 Uhr fuhr ich dann los. Nach einer halben Stunde war ich auf der Autobahn. Tatsächlich erreichte ich eine Geschwindigkeit von knapp 100 km/h, aber der Trabi klapperte und vibrierte besorgniserregend. 80 km/h stellte jedoch eine angenehme Reisegeschwindigkeit dar, sofern man sie einhalten konnte. An leichten Steigungen verringerte sie sich auf 60 km/h, und ich wurde von tonnenschweren LKW überholt. Einmal bin ich fast verzweifelt, als vor Bamberg an einer Kilometerlangen Steigung ein LKW mit 25 km/h vor mir herzockelte. Auf der Überholspur brausten die Fahrzeuge mit über 100 vorbei, an Überholen war mit meinen 25 PS nicht zu denken. Glücklicherweise erkannte ein Autofahrer aus Sachsen auf der Überholspur meine missliche Lage und verringerte die Geschwindigkeit seines nagelneuen Golf auf meine, worauf sich sofort ein Kilometerlanger Stau bildete. Endlich konnte ich den LKW überholen. 60 Kilometer vor Würzburg ertönte aus dem Motor das bekannte Spotzen. Schnell schaltete ich den Benzinhahn auf "Reserve", und der Motor lief weiter. Am nächsten Parkplatz füllte ich dann den Inhalt des Reservekanisters in den Tank.

TrabiDer Treibstoff reichte gerade bis nach Hause nach Höchberg (bei Würzburg), wo ich gegen 18.30 Uhr nach über achtstündiger Fahrt ankam. Dort sah mich eine Bekannte in vorbeifahren, worauf sich die Nachricht, dass ich einen Trabi habe, wie ein Lauffeuer verbreitete. Die Kommentare meiner Bekannten reichten von "Du bist verrückt" über "Lebensmüde, oder was?" bis zu einem "was, 200 Mark für ein Auto? Ist ja geil!". Den restlichen Abend war ich damit beschäftigt, alle möglichen Leute spazieren zu fahren.

Tags drauf fuhr ich dann zum Landratsamt, um den Trabi umzumelden. Unterwegs passierte es dann: Als ich in eine Kreuzung einfuhr, an der "rechts vor links" gilt, kam von links ein BMW mit über 60 km/h (erlaubt waren 30). Zum Bremsen war es für mich zu spät. So suchte ich mein Heil in der Flucht, gab Vollgas und fuhr scharf um die Kurve. Gebannt sah ich in den Rückspiegel. Trotz ABS näherte sich der BMW bis auf wenige cm, und knallte dann scheppernd gegen die Bordsteinkante. Ich wurde rechts von einer davon rollenden Radkappe überholt. Später erfuhr ich, dass an besagter Kreuzung ein Abschleppwagen einen BMW aufgeladen hat. Selber Schuld!
Zunächst schloss ich eine Haftpflichtversicherung ab. Die Angestellte wollte mir doch tatsächlich eine Teilkaskoversicherung andrehen - die Prämie wäre teurer als das ganze Auto! Vielleicht eher eine Lebensversicherung...?

Als ich dann beim Landratsamt an der Reihe war, begann der Angestellte zu fluchen, da er in seinem Computer keinen Trabi fand. Mit vereinten Kräften gelang es den Angestellten nach 10 Minuten dann doch, einen Fahrzeugschein und - Brief auszudrucken. Die DDR-Dokumente wurden einbehalten. Als nächstes sollte ich die Zulassungsplaketten vom Nummernschild entfernen - ich hatte keine! "...na gut, dann kratzen Sie eben die TÜV-Plakette ab. Warum haben Sie eigentlich eine ASU-Plakette? So was gibt es für Trabis gar nicht. Aber wenn Sie unbedingt wieder eine wollen.. meinetwegen!"

Allmählich wurde es Zeit, mein Fahrzeug zu betanken. Es gab zwar überall Mofa-Zapfsäulen mit dem richtigen Kraftstoff, aber dafür braucht man Wertmarken, je eine für einen halben Liter, der dann jeweils frisch gemischt wird. Ich hätte bestimmt eine Stunde gebraucht, um Vollzutanken. So nahm ich das Zweitakter-Öl, fuhr an eine normale Zapfsäule und begann Abwechselnd Öl und Benzin einzufüllen, wobei ich mit Hilfe eines Messbechers versuchte, das Verhältnis 1:50 einzuhalten. Dabei sahen mir die übrigen Tankstellenbesucher verwundert bis verständnislos zu.

Einem Mantafahrer fielen fast die Augen aus dem Kopf: "Ey, wie viel fährt denn Deine Kiste, Ey?" - "Wie weit oder wie schnell?" - "Na, wie viel schnell, Ey" - "so knapp hundert!" - "Ist ja geil, Ey!" Jetzt wollte ich es genau wissen. Ich fuhr auf eine Bundesstraße, hielt an, und beschleunigte so schnell es ging. In 65 s kam ich auf 100km/h. Nach 122 s erreichte ich die maximale Geschwindigkeit von 107,5 km/h (laut Tacho. Wer weiß, ob in der DDR nicht auch die Tachometer gefälscht wurden?..)

Nachdem ich mich am Sound des Motors satt gehört hatte, überlegte ich mir die Anschaffung eines Autoradios. Ich kaufte mir ein etwas besseres Radio, doppelt so teuer wie mein Auto! Als ich es dann einbauen wollte, stellte ich fest, das es nicht in den mickrigen DDR-Norm-Radioschacht (gerade groß genug für einen Walkman o. ä.) passte, und musste mein halbes Armaturenbrett zersägen. Als ich endlich fertig war, funktionierte es nicht. Ich stellte fest, dass die Bordspannung nur 6 Volt betrug, das Radio benötigt jedoch 12 Volt. Ich wollte einen Spannungswandler kaufen, aber leider gab es keinen, und so schleppte ich jeden Tag einen 12V-Bleiakku zum Auto, den ich über Nacht daheim aufgeladen hatte. Später baute ich dann selbst einen Spannungswandler, der auch wunderbar funktionierte, aber bei längerem Betrieb so heiß wurde, dass das Lötzinn schmolz und der Endstufentransistor heraus fiel.

Der Trabi selber bereitete mir zunächst keine Probleme, bis eines Tages die Schweißnaht zwischen Auspuff und Auspufftopf riss. Ich hatte vorgesorgt und ein Stück Draht dabei, mit dem ich das Auspuffrohr festband, bis ich zu Hause war uns es wieder fest schweißen konnte. Der Benzinverbrauch pendelte sich bei etwa 9,5 Litern pro 100 km ein.

Eines Tages schnappte ich in Würzburg einem anderen Autofahrer einen Parkplatz vor der Nase weg, woraufhin er mich lautstark als "Sozialistischen Bauern" beschimpfte, und schrie, dass ich doch "dorthin zurückgehen soll, wo ich herkomme". Dies war der Gipfel der Frechheit, denn erstens komme ich ja aus Würzburg, und zweitens sah der Autofahrer wie ein Landwirt aus - er hatte sogar einen Sack Kartoffeln im Kofferraum. Als ich dann später wegfuhr, folgte mir nach kurzer Zeit plötzlich ein Geländewagen, der wie wild hupte und Lichthupe gab. Was wollte der denn? Als dann an der nächsten Ampel der Beifahrer ausstieg und ein größeres schwarzes Teil über dem Kopf schwenkte, wurde mir Angst und Bange, bis ich merkte, dass er mir ein Stück meiner Stoßstange brachte, das ich während der Fahrt verloren hatte.

Allmählich waren die Semesterferien zu Ende, und ich begann mein Praktikum in der Uniklinik Würzburg. So fuhr ich jeden Tag die 5 Kilometer mit dem Trabi dorthin, und Freitags zu den Vorlesungen ins 50km entfernte Schweinfurt. Im Stadtverkehr war der Trabi völlig ausreichend, und von Schweinfurt nach Würzburg schaffte ich es in einer knappen Stunde. Auf der Fahrt nach Würzburg kamen mir meist mehrere Trabis entgegen, und wir gaben immer Lichthupe und grüßten uns.

Als ich einmal in Würzburg an einer Ampel rechts abbog, und abbremste, da ein Fußgänger die Fahrbahn überquerte, erschreckte mich ein lautes Rumpeln. Ich dachte zunächst an die Lichtmaschine, denn in einem Trabi - Reparaturbuch hatte ich kurz zuvor gelesen: Unter wessen Fahrzeug es - womöglich bei schneller Fahrt - plötzlich poltert, wird nach dem Anhalten bei einem Blick in den Motorraum mit Sicherheit feststellen, dass die Lichtmaschine verloren gegangen ist. So schaltete ich zunächst die Warnblinkanlage an. Bei einem Blick in den Rückspiegel stellte ich jedoch fest, dass direkt hinter mir ein japanischer Kleinwagen stand, aus dem eine Frau entsetzt zu mir sah. Nach dem Aussteigen stellte ich dann fest, das sie gegen meine hintere Stoßstange gefahren war und diese total verbogen hat. Schöne Bescherung! Wahrscheinlich hatte ich jetzt einen Totalschaden. Ihre erste Frage war, ob ich "aus dem Osten komme".
"Nein", sagte ich, "und Sie? Kommen sie aus Japan? ...wegen dem Auto, meine ich!".
Wir einigten uns auf eine Entschädigung von 200DM. Am nächsten Tag bog ich die Stoßstange notdürftig wieder gerade. So hatte sich der Trabi von selbst bezahlt.

Eines Freitags war ich wieder unterwegs nach Schweinfurt. Auf der Schnellstraße kurz hinter Würzburg passierte es. Ich wollte einen LKW überholen, und fuhr mit Vollgas auf der Überholspur. Ich hatte gerade 98km/h erreicht, als es unter meiner Motorhaube laut knallte. Im Innenraum roch es auf einmal stark nach Benzin. Oh je! Der Tank befand sich wenige cm vor mir, und war nur durch eine dünne Pappschicht von mit getrennt. Sofort schaltete ich die Zündung aus, schloss den Benzinhahn und rollte an den Straßenrand. Zufällig befand sich genau an dieser Stelle eine Haltebucht mit Notrufsäule. Ich öffnete die Motorhaube, und entdeckte ein Loch im Motor. Offenbar fehlte eine der beiden Zündkerzen. Ich verfolgte das Zündkabel und entdeckte sie im Kerzenstecker, der am Boden hing. Bei näherem Hinsehen stellte ich fest, dass sie aus dem Gewinde im Motor herausgerissen wurde.

Ich versuchte, sie wieder hineinzuschrauben. Das Gewinde von Kerze und Zylinderkopf war jedoch so stark beschädigt, so dass sie nicht mehr hielt. Vielleicht geht es ja, wenn ich die beiden Zündkerzen austausche. Ich versuchte es, und startete den Motor. Es funktionierte. Der Trabi fuhr aber nicht mehr schneller als 50km/h. Plötzlich wurde der Motor immer langsamer. Kurz vor einer Autobahnauffahrt musste ich wieder anhalten. Es herrschte dichter Nebel, ich saß in meinem grauen Trabi konnte die Fahrbahn nicht verlassen, da diese mit Leitplanken abgegrenzt war. Von hinten kamen mehrere LKW angefahren. Mir wurde unwohl. Voller Panik verließ ich mein Fahrzeug, sprang über die Leitplanke und wartete. Der erste LKW konnte noch gut ausweichen, und der zweite wäre wohl aufgefahren, wenn der erste nicht seine Warnblinkanlage eingeschaltet und wie wild gehupt hätte. Ich traute mich wieder zu meinem Auto, und versuchte, von dieser gefährlichen Stelle wegzukommen. Mit Mühe und Not gelang es mir, fünfhundert Meter weiterzufahren, bis die Zündkerze wiederum aus dem Motor riss. An dieser Stelle befand sich zum Glück eine Bushaltestelle, wo ich meinen Trabi gefahrlos abstellen konnte.

Was jetzt? Der nächste Bus kam erst nach zwei Stunden, und fuhr nur ins nächste Dorf. Ich versuchte zu Trampen. Als mich nach einer halben Stunde noch immer keiner mitgenommen hatte, überlegte ich mir, den Trabi wieder an die Straße zu schieben, das Warndreieck aufzustellen und die Motorhaube zu öffnen, um Mitleid zu erregen. Doch da hielt ein LKW, der zufällig nach Schweinfurt fuhr, um in der Kantine von Fichtel&Sachs mehrere Kisten Truthahnwurst abzugeben. Er fuhr mich sogar bis vor die FH. Dort traf ich dann einen Kommilitonen, der am Mittag nach Würzburg fuhr, und als ich ihm die Geschichte erzählte, erklärte er sich bereit, mich abzuschleppen.

Die Reparatur war einfacher, als ich dachte. Nach dem Lösen von acht Schrauben konnte ich die um den Motor befindlichen Blechverkleidungen abnehmen, und übrig blieben zwei Kühlkörper, ähnlich dem Zylinder eines Mofas. Nach dem Entfernen weiterer vier Schrauben hatte ich auch schon den Zylinderkopf in der Hand. Glücklicherweise wusste ich von einem verschrotteten Trabi, und baute mir aus diesem einen Zylinderkopf aus. Das kostete mich 10 Mark, aber er passte, obwohl dieser Trabi von 1965 war. Eine passende Zündkerze bekam ich in einem Rasenmähergeschäft, und von da an fuhr der Trabi wieder einwandfrei. Im Winter war es zwar etwas kalt, aber ich gewöhnte mich daran, mit Jacke und Handschuhen zu fahren.

Die nächsten Wochen passierte nichts besonderes mehr, bis ich an einem Donnerstag meine Praktikumsstelle verließ und meinen Trabi starten wollte. Nichts geschah: die Batterie war leer. Ich hatte zwar ein Starthilfekabel, aber woher sollte ich ein anderes Auto mit 6V-Batterie nehmen? Ich stand an einem Berg, aber leider bergauf in einer engen Parklücke. Also parkte ich "von Hand" aus, wendete, wobei ich den ganzen Verkehr aufhielt, und rollte den Berg hinab. Tatsächlich sprang der Trabi wieder an, und ich konnte heimfahren. Dort stellte ich fest, dass die Lichtmaschine verschmutzt war und infolgedessen nur noch 5Volt abgab. Auch einem Nicht - Elektroingenieur sollte klar sein, dass das nicht reicht, um eine 6V-Batterie zu laden. Ich war den ganzen Abend damit beschäftigt, die Lichtmaschine zu zerlegen und zu reinigen. Schließlich funktionierte sie wieder, und ich baute sie ein, um am nächsten Morgen nach SW fahren zu können. Da ich an einem Berg wohne, konnte ich den Trabi problemlos anlassen. Meine einzige Sorge war, ob die Batterie aufgeladen wird, bis ich in Schweinfurt ankomme. Sicherheitshalber parkte ich nicht auf dem engen Parkplatz der FH, sondern gegenüber der Einfahrt draußen auf der Straße, um mich notfalls leichter anschieben lassen zu können. Das wurde mir zum Verhängnis:

Als ich um 13.30 Uhr aus der Mensa kam, sah ich einen Polizeiwagen, der angefahren kam und hinter meinem Trabi anhielt. Was wollte denn der? Das Parken ist dort doch bis 14.00 Uhr erlaubt! Oder...? Ich beschleunigte meinen Schritt. Die Polizeibeamten stiegen aus und sahen sich den Trabi an. Auf einmal sah ich die Bescherung: In meinem Kofferraum (oder besser da, wo mein Kofferraum war) stand ein Scirocco, und auf der Straße lagen Teile meiner Kunststoffkarosserie verstreut. Meine Motorhaube war zerbrochen. Ich ging also zu den Polizeibeamten, und meinte "das ist .. äh .. das war mein Trabi".

Trabi-Crash

Der Ablauf des Unfalls war mir zunächst unklar: Die Polizei nahm Adressen von zwei Fahrern auf, aber ich sah nur ein beteiligtes Fahrzeug. Des Rätsels Lösung: Der eine war der Fahrer des Fiat127, hinter dem ich heute morgen im Abstand von 4m geparkt habe. Jetzt stand er ebenfalls 4m vor dem Trabi, allerdings ein paar Meter weiter vorne. Der Elastisch Stoß macht's möglich.

Der andere, ein Einwohner der neuen Bundesländer, ist aus voller Fahrt mit seinem nagelneuen Fahrzeug auf den Trabi aufgefahren, weil ihn "irgendwas geblendet" hat. Den Scirocco hat es auch ziemlich erwischt. Der ganze Frontbereich wurde bis auf die Vorderräder eingedrückt, und die Frontscheibe war kaputt. Der fuhr garantiert keinen Meter mehr.

Als ich erfuhr, dass er bei der ARROGANZ (Name geändert) versichert war, ließ ich den Trabi gleich zu einen Sachverständigen bringen, und beauftragte einen Rechtsanwalt. Der Anwalt tat sich anfangs etwas schwer, zu begreifen, dass ich der Trabifahrer war, und der Fahrer des Scirocco aus dem Osten kam. Es war gut, dass ich den Anwalt beauftragt habe, denn wie befürchtet wollte die Versicherung einen Teil des Schadens nicht bezahlen, und es bedurfte über zehn Briefe des Anwalts an die Versicherung, bis ich mein Geld nach zwei Monaten endlich bekam. Das kostete die Versicherung dann zusätzlich 300DM für den Anwalt. Das Verschrotten des Trabis kostete der Versicherung übrigens über 500DM, da ein normaler Schrottplatz keine Trabis annimmt. So musste er zu einer Sondermüllentsorgungsfirma gebracht werden, wo er von Hand zerlegt und sortiert wurde. Dies war dann auch der Grund für mich, keinen Trabi mehr zu kaufen.

Immerhin bekam ich 600DM für den Trabi, und dazu noch eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 350DM. Ich legte noch ein paar Mark drauf, und kaufte mir dann einen Japanischen Kleinwagen, der zwar doppelt soviel PS hat und nur halb soviel Benzin braucht, aber ansonsten total normal und absolut langweilig ist.

Und so denke ich immer wieder gerne an die Zeit mit dem Trabi zurück, denn

"Trabifahrer sind die Härtesten!"

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