Go Trabi, go!
Der Motor gurgelt, brummt kurz mit Andacht und geht aus. Was denn? Gleich jetzt schon, gleich zu Beginn der Trabi-Tour? Ist das schon der Anfang vom schnellen Ende einer Expedition mit dem Wunderwerk ostdeutscher Autobauerkunst? "Sie müsse scho des Knöbbsche drügge!" sagt der gestrenge Mensch, der die Gruppe zur Trabi-Expedition durch Sachsen-Anhalt einweisen soll.
Dem Manne kann geholfen werden. Einen Knopf gilt es zu drücken, bevor sich der quietschbunte Plaste-Bomber in Bewegung setzt. Bloß, um Himmels willen, wo denn? Der Knopf entpuppt sich als Choke, nebst verstecktem Benzinhebel, der zuerst von der Position "Z" (zu) auf "A" (auf) gestellt werden will, bevor sich der Nähmaschinen-Motor in den Dienst der gerechten Sache stellen lässt und die Kult-Kutsche Trabant auf Touren und in Bewegung bringen. "Und wenn er nisch mer mag, dann stellen Se des Hebelsche uf "R". "R" wie Reserve, irgendwie eine beruhigende Option in einer Autowelt voller Improvisation, in der zudem auch noch die Benzinuhr fehlt und die Gangschaltung am Lenkrad klebt. An die spiegelverkehrte Lenkradschaltung, bei der man feinfühlig schalten und in der richtigen Position kraftvoll zudrücken soll, gewöhnt sich ohnehin jeder, der nur eine Spur Fingerspitzengefühl hat.
Bevor die Tagestour starten kann, hat deren Organisator und Jung-Unternehmer Maik Fraustein dann noch eine ausgiebige Fahrprüfung gesetzt, die es in sich hat. Fraustein lebt von seinem 15 Trabis starken Fuhrpark, liebt die Autos und will deren sprichwörtliche Zuverlässigkeit auch gerne jedem Gast aus dem Wessi-Land demonstrieren. Die praktische Einweisung auf dem Parkplatz vor Schloss Ballenstedt im Ostharz, Startpunkt unseres Ausflugtages durch Sachsen-Anhalt, gerät jedenfalls zum schweißtreibenden Fahrspektakel: im Blindflug mit geschwärzter Brille durch einen Hütchen-Hindernisparcours, Gott vertrauend. Und dem Beifahrer (links, links, LINKS, rechts, RECHTS, RECHTS!!!).
Noch rückwärts einen geschlossenen Kreis hinlegen, dass man Magensausen bekommt, - und dann geht es los. Zehn osterfarbene Trabis, in den Farbschattierungen von mokkabeige bis bonbonrosa auf Erkundungstour durch das ländliche Panorama von Sachsen-Anhalt, die abschätzigen Blicke von irgendwelchen missgünstigen Cabrio-Schnöseln, mit dem Dauerwellen-Blondchen auf dem Beifahrersitz ignorierend. Aufgemerkt Leute, das ist keine kommerzielle Veranstaltung zur flüchtigen Befriedigung niedriger Masseninstinkte. Hier geht es um tiefere Inhalte. Um den nostalgischen Blick zurück, in eine fast schon verblichene Autogeneration, um - im Wortsinne - Erfahrungswerte, die eine ganze Autofahrer-Generation in den ostdeutschen Bundesländern geprägt hat, um den griffigen Sound eines Kultstatus auf vier Rädern: "Pott, pott, pott, schnnnnnnuuurrrr, töff, töff, töff..."
Ganz nebenbei, der Trabi macht wirklich Laune, der Wagen hat einen ruckelnden Spaßfaktor, den man nicht verleugnen kann. Entlangschnurren auf holprigen Straßen, vorbei an kilometerlangen, sanft grünenden Kornfeldern, an vergessenen Dörflein, wo die Frauen mit den bunten Kittelschürzen sich lauthals über die morschen Zäune hinweg unterhalten, die Plastikwickler im strengen Silberhaar. Die ländliche Gegend rund um die mittelalterliche Kaiserstadt Quedlinburg in Sachsen-Anhalt zählt noch zur Mc-Donald's- und Burger King freien Zone. Wenig grellbuntes Fast-Food-Milieu, dafür gemütliche Tante-Emma-Läden in den Dörfern, und am Straßenrand wirbt das verwitterte Blechschild einer Senfgurkenfabrik mit der Bekömmlichkeit ihrer Essigfrüchte.
Die Beschaulichkeit täuscht nicht darüber hinweg, dass sich hier auch eines der Sorgenkinder der neuen Bundesländer präsentiert, aus dem die Menschen auf der Suche nach Arbeit auswandern. Menschenleere Dörfer nicht nur zur Mittagszeit, High-Noon im Osten. Die Statistiken sprechen keine gute Sprache. Die Arbeitslosigkeit liegt im Durchschnitt bei traurigen 25 Prozent, in Magdeburg sogar bei katastrophalen 40 Prozent. Durch den Tourismus versprechen sich viele hier den rettenden Strohhalm, und die zunehmende Lust der Deutschen auf einen Urlaub in den eigenen Landen könnte ihnen recht geben. Gezielt haben die Verantwortlichen in den vergangenen Jahren nach der Wende ein historisches Kleinod nach dem nächsten behutsam in Stand gesetzt und für die Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht.
Schönstes Beispiel vielleicht die erste deutsche Kaiserhauptstadt Quedlinburg. Städteführer in scheppernden Bimmel-Bummel-Bahnen führen durch den liebevoll sanierten Stadtkern und die riesige Burganlage, pausenlos die Geschichten und Anekdoten längst vergangener, längst verblichener Generationen erzählend, die so wieder zum Leben erwachen. Die Plaste-Karawane endet schließlich auf einem Parkplatz der Lutherstadt Eisleben. Endstation Sehnsucht Auto-Nostalgie. Einen Tag lang Trabi-Faszination: pur, hochdosiert, aber wohl bekömmlich.
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