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Tag 11 - 24. August 2005 - Narvik, Tromsø und Landschaft pur

Die Nacht war trotz milder Temperaturen ungemütlich, ein nasser Schlafsack wärmt eben nicht sehr gut. Doch wollen wir nicht meckern, die Nacht war wenigstens trocken! Da Robbi mal wieder nicht auf die Beine kommt, beginne ich das Zelt einfach abzubauen, die Außenhaut ist ja trocken. Das Maulen verdoppelte sich augenblicklich! Tageslicht und der Wind im Innenzelt waren dann wohl doch etwas zuviel für ihn! Heute wollen wir ein gutes Stück vorankommen, also lassen wir nichts anbrennen. Unsere lebenserfahrenen Ratgeber wollten doch gestern niemals glauben, dass wir Freitag am Kap stehen, aber es ist erst Mittwoch. Frühstück machen wir an einer Tankstelle. Während Bemme beim Waschen ist, poliere ich unsere Schadensstelle. Der Gummiabrieb machte das Ganze schlimmer, als es war. Der Lack und die linke Spoilerecke hat etwas abbekommen, der Rest ist heil. Glücklicherweise war der Schreck größer, als der Schaden.  Wir kommen gut voran und machen Station in Narvik. In der Stadt, in der nichts mehr so ist, wie es vor dem Krieg war, halten wir uns nicht sehr lange auf. Es ist alles sehr zweckmäßig und im tristen Beton gehalten. In der Ferne sehe ich die Erzhafenanlagen, die Schienen der Lapplandbahn, die das Erz von Kiruna kommend in den eisfreien Hafen bringt, liegen direkt neben uns. Gleich neben dem Rathaus steht als Attraktion ein Wegweiser mit Richtungen und Entfernungen zu verschiedenen Orten. Es ist gleich weit zum Nordpol wie nach Eilenburg!? Ein Stück weiter nördlich fahren wir über dem Rombaksfjord. Er ist durch die erbitterten Kämpfe im Krieg nicht nur ein Schiffsfriedhof, sondern sein Ende stellt mit nur 6,5 Kilometern auch die schmalste norwegische Landstelle dar. Pünktlich zum Mittagessen erreichen wir Bardufoss. Auf diesem Stützpunkt war mein Opa stationiert, doch heute landen dort meist Verkehrsflugzeuge auf dem modernen Flughafen. Militärisch wird das Areal auf jeden Fall genutzt, Norwegen war und ist für die NATO aufgrund der Lage sehr „wichtig“. Wir folgen weiter der E6 bis Nordkjosbotn, wo wir die E8 nach Tromsø nehmen. Auch hiervon hat mein Großvater oft erzählt, hier reizt uns besonders die 1965 erbaute Eismeerkathedrale, deren Architektonik das Nordlicht in der dunkeln Jahreszeit symbolisieren soll. Die Stadt in Insellage wird von einer 43 Meter hohen Bogenbrücke mit dem Festland verbunden und war berühmt als Ausgangshafen für Robbenfang und Polarexpeditionen. Im Hafen sehen wir in den phantastischen Lichtverhältnissen ein Schiff in den typischen Farben der Hurtigruten. Die weitere Strecke des Tages meistern wir mit Traumwetter und wunderschöner Natur. Die E6 führt direkt am Wasser entlang und liefert immerfort Fotoobjekte. Es gelingt uns, einige schöne Perspektiven einzufangen, doch die meisten habe ich in den Erinnerungen fest abgespeichert. Ein Stück nördlich Breivik schlagen wir nach erfolgreichen 577 Kilometern unser Nachtlager auf.

Tag 12 - 25. August 2005 - Hammerfest mit leichten Problemchen

Wir hatten eine trockene milde Nacht, aber unser Plätzchen liegt im Schatten. Nach dem Abbauen folgt eine kleine „Warmfahrrunde“ für Auto und uns. Auf einem kleinen Pass finden wir ein sonniges Plätzchen, inmitten einer Herde neugieriger Schafe. Das Frühstück wird vom obligatorischen Trocknen begleitet. In Alta machen wir eine kleine Tankpause, erst hier fällt mir diese sonderbare Aufbruchstimmung auf. Viele Souvenirshops haben bereits geschlossen, kleinere Läden ebenso. Unser Tankwart ist neugierig, spricht aber kaum Englisch, so verständigen wir uns mit Händen und Füßen. Er erzählt von seinem Amischlitten und belächelt unseren „Hubraum“. Zum Abschied macht er uns klar, dass wir alles für die Hälfte kaufen können, was verderblich ist, denn er macht am Sonntag zu. Der Winter kommt! Er gibt uns zwei Wimpel zum Supersonderpreis und wir verabschieden uns. Die nächste Station soll Hammerfest sein, aber zuerst noch ein gutes Stück E6. Auf einer endlos langen Gerade mitten im Nirgendwo hören wir ein komische Klappern, dass vorher nicht da war. Es wird zwar nicht lauter, aber es stört mich doch sehr! Die hinterste Auspuffaufhängung ist lose und das Endrohr klappert in der Spoilerdurchführung, die Mutter hatte wohl keine Lust mehr, mitzufahren. So ganz nebenbei erklärt Bemme, dass wir zwar Ersatzteile und gut drei Dutzend Zündkerzen für noch zwei Pappen dabei haben, er aber sämtliche Schrauben und Muttern vergessen hat?! Kreisch! Ich bin stockig und mache Mittag, der Büchsenöffner macht mich alle. Vielleicht sollte ich das Beil zum Öffnen verwenden? Egal, zur „Strafe“ gibt es Erbsen! Woher zaubere ich jetzt eine Mutter? Die Schraube ist noch da… Abschrauben, wo sie niemand braucht! Am Auto gibt es keine, aber da steht doch ein Informationsschild… Fix die Ratsche zusammengebaut gehe ich auf Mutternsuche. Zur Sicherheit schraube ich zwei ab, der Tag ist gerettet. Durch den neckisch tiefen Heckspoiler fluche ich die Mutter mehr dran, als ich schraube. Der warme Wind bläst mir ständig Staub ins Gesicht, und den Gaskocher fast aus. Doch haben wir auch das überstanden und fahren weiter. Hier sieht man schon die ersten Rentiere auf den Weiden, eines auch direkt auf der Straße. Bis Hammerfest sollen es noch viele mehr werden! Speziell die weißen Rentiere haben es mir angetan. Bei den Samen, oder auch Lappen genannt, genießen sie einen besonderen Status, für sie sind sie fast heilig. Der erste Anblick von Hammerfest ist ernüchternd, von der nördlichsten Stadt der Erde habe ich etwas mehr erwartet. Viele Geschäfte sind verwaist, manches sieht echt runtergekommen aus. Auf den ersten Blick erinnert mich der Ort an eine Kleinstadt, in der ich 8 Jahre meines Lebens verschwendet habe, worin ich mir mit Robbi einig bin. Der erste Tiefschlag ist die Öffnungszeit des Museums im Rathaus. Seit 14 Uhr geschlossen!?

Bingo, es ist 14 Uhr 25, der blöde Auspuff ist schuld! Wir suchen den Eisbärenclub, finden das alte Gebäude und stellen fest, dass er umgezogen ist. Irgendwann finden wir auch die neue Adresse, auch geschlossen!? Aber ich sehe eine junge Frau darin und klopfe an die Scheibe, unsere letzte Chance… Ich mach ihr klar, dass wir nur wegen dem Club hier sind und schon 4844 Kilometer gefahren sind und doch bitte noch Mitglied werden möchten. Sie hat zwar ein Date, aber sie gibt uns eine Chance. Während sie die Mitgliedsurkunden ausfüllt, die beweisen, dass man Hammerfest wirklich besucht hat, dürfen wir noch das Museum besuchen. Es stellt im Schwerpunkt die arktische Tierwelt zur Schau, besonders imposant ist der präparierte Eisbär, das eigentliche Wahrzeichen Hammerfests. Am Ausgang bekommen wir die Urkunden, wir sind Mitglieder im zahlenstärksten Club der Welt. Der Rückweg führt uns durch den Hafen bis zur alten Friedhofskapelle, die im Krieg das einzig verschonte Gebäude war. Die neue Betonkirche, die an die Eismeerkathedrale erinnert, steht daneben. Im Gästebuch tragen wir uns ein und ich hinterlasse eine Widmung für meinen Opa. Gleich hinter der Kapelle führt ein steiler Pfad auf die Hügelkette im Rücken der Stadt, von der aus wir alles überblicken können. Draußen vor der Stadt liegt die modernste Erdgasverflüssigungsanlage des Landes und unter der Wasseroberfläche arbeiten Gezeitenkraftwerke, die in Form und Bauweise an Windräder erinnern. An der anderen Stadtseite steht der Meridianstøtten, den wir ebenfalls besuchen. Er erinnert an die Gradvermessung zwischen 1816 und 1852 von Schweden, Norwegern und Russen zur Feststellung von Form und Größe der Erde. Ein unscheinbarer Betonklotz unmittelbar daneben verdeutlicht die geringe Abweichung. Auf dem Rückweg stehen wir im Ministau mitten in der Stadt, der sich aber schnell auflöst. Schon auf dem Hinweg überlegen wir, wo wir übernachten. Es ist überall starker Wind und es gibt kaum Wald. Mit dem Zelt fliegen wir vermutlich davon! In der Nähe der E6 habe ich einen Campingplatz gesehen, den wir ansteuern. Wir sind die einzigen Gäste und können uns einen Platz aussuchen, das Auto neben dem Zelt ist kein Problem. So haben wir eine vernünftige Wasch- und Kochmöglichkeit, ein echter Luxus. Ein Stück entfernt baut kurz danach ein Brite mit Fahrrad sein Zelt auf, wir haben ihn am Mittag gesehen. Er sagte, er fährt seit fünf Wochen durch Norwegen und will morgen nach Hammerfest auf die Fähre. Ich meine, wer das braucht, soll das ruhig tun. Aber vernünftig scheint mir das erst nach Abschluss der Familienplanung, und so alt sah er auch noch nicht aus… Mit einer erstaunlich hohen Temperatur geht nach 361 Kilometern auch dieser Tag gut zu Ende.

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